Mediziner fordern: Neubewertung der HPV-Impfung und ein Ende der irreführenden Informationen

Ich hatte bereits mehrfach Informationen zu Impfungen gegen Humane Papillom-Viren (HPV) verbreitet. Diese Viren stehen im Verdacht Gebärmutterhalskrebs zu verursachen. Diese Impfungen sind nach wie vor heftig umstritten. Heute habe ich einen öffentlichen Aufruf von nahmhaften Schulmedizinern, die eine Neubewertung der HPV-Impfung fordern. Diese Mediziner sehen erheblichen Klärungsbedarf und weisen auf einige Ungereimtheiten im Zusammenhang mit verschiedenen Studien hin.

Um meiner Chronistenpflicht zu entsprechen möchte ich Ihnen diesen Aufruf bekannt machen. Ich kann und darf Ihnen nicht raten, Ihre Töchter nicht impfen zu lassen. Aber Sie sollten alle verfügbaren Informationen haben, um eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen zu können.

In der nächsten Woche habe ich dann zum gleichen Thema einen weiteren Aufsatz für Sie.

Seit Herbst 2006 können sich Mädchen und Frauen in Deutschland gegen Humane Papillom-Viren (HPV) impfen lassen. Seit dieser Zeit wird über mögliche Nebenwirkungen, die Kosten der Impfung sowie die teilweise irreführende Kampagne für die Impfung intensiv diskutiert.  Ob aber die Impfung überhaupt das leistet, was sie verspricht, wurde kaum hinterfragt. Gera­de die entscheidende Frage der Wirksamkeit, im Sinne einer Senkung der Neuerkrankungen an Gebärmutterhalskrebs, ist bisher nicht ausreichend geklärt und Gegenstand unzutreffender Informationen. 

Die Empfehlung der STIKO erfolgte vor Publikation der entscheidenden Studien

Im März 2007 empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut eine Impfung gegen HPV für alle Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Begründet wurde dies mit der Verminderung der Krankheitslast durch Gebärmutterhalskrebs. Allerdings waren zum Zeitpunkt der Empfehlung die Ergebnisse der entscheidenden Studien noch nicht publiziert. 

Erst im Mai 2007 erschienen die wichtigsten Studien zum Impfstoff Gardasil®, FUTURE I und FUTURE II, in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (NEJM). Die zentrale Aussage eines im NEJM (2008) veröffentlichten Kommentars lautete: „Die schlechte Nachricht ist, dass wir die Wirksamkeit der Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs nicht kennen.“ Eine differenzierte Darstellung in deutscher Sprache findet sich u.a. im arzneitelegramm. Die wichtigste Studie zu dem zweiten Impfstoff, Cervarix®, erschien im Juni 2007. In den USA ist Cervarix® bis heute nicht zugelassen worden.

Was sagen Studien und begleitende Dokumente zur Wirksamkeit der HPV-Impfung?

Gebärmutterhalskrebs ist eng mit vorangegangenen HPV-Infektionen verbunden. Von den etwa 100 bekannten HPV-Typen können mindestens 13 Gebärmutterhalskrebs auslösen. Dabei werden die Typen 16 und 18, gegen die sich die beiden Impfstoffe richten, für 70% der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich gemacht.

In den Studien wurde die Wirksamkeit der Impfung allerdings nicht gegen Gebärmutterhalskrebs, sondern gegen das Auftreten von höhergradigen Zellveränderungen (als mögliche Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs) an 15-26jährigen Frauen untersucht. 

Tatsächlich gelang es mit der Impfung, bei den Frauen, die noch nicht mit den HPV-Typen 16 oder 18 infiziert waren, diejenigen Krebsvorstufen, die nur mit diesen beiden Virentypen assoziiert waren, um 98% zu vermindern. Dies hat viele zu der optimistischen Annahme verleitet, dass durch die Impfung diejenigen 70% der Krebsfälle, die mit den Typen 16 und 18 assoziiert werden, fast vollständig zu verhindern sind, also eine Verminderung der Krebsfälle um fast 70% resultiert. Diese Annahme ist aber bislang nicht durch Studienergebnisse belegt.

In den Auswertungen, die alle eingeschlossenen Frauen berücksichtigten, fand sich eine Verminderung an allen höhergradigen Zellveränderungen um 7,8% in der FUTURE I-Studie (Zahl von der EMEA 2008) und um 17% in der Studie FUTURE II. Auswertungen dieser Art wurden von der STIKO nicht berücksichtigt. Für den zweiten Impfstoff Cervarix® beruhten die Empfehlungen der STIKO sogar nur auf Daten zur Verhinderung von andauernden Infektionen. Zur Wirksamkeit in Bezug auf Krebsvorstufen oder gar Krebs lagen für Cervarix® keine Daten vor.

Die als „bescheiden“ eingestufte Wirksamkeit von Gardasil® wurde u.a. dadurch erklärt, dass einige der untersuchten Frauen bereits mit den Virentypen 16 oder 18 infiziert waren. Es gilt als belegt, dass die Impfung dann nicht mehr wirkt. Es wurde daher empfohlen, dass Frauen vor einer Infektion mit HPV, d.h. möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr, geimpft werden. Die STIKO legte das Alter in ihrer Empfehlung auf 12 bis 17 Jahre fest. Nur für die Gruppe der 15-17jährigen gibt es Daten zur Wirksamkeit gegen die Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs, nicht jedoch für die 12-14jährigen. 

Ersatzweise wurden daher in den FUTURE-Studien Analysen vorgenommen, die nur die Mädchen und Frauen berücksichtigten, die zu Studienbeginn in Laboruntersuchungen keine Infektion mit den Typen 16 oder 18 aufwiesen. Diese Auswahl sollte einer Population von Mädchen im Alter von ca. 12 Jahren nahe kommen. Wie sich Gardasil® aber in dieser Population auf die Gesamtzahl höhergradiger Zellveränderungen auswirkt, lässt sich nicht nachvollziehen. Lediglich bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA findet sich 2006 dazu die Angabe einer Wirksamkeit von 16,9% (nach zweijähriger Beobachtung). In der Publikation der FUTURE II-Studie wurde ohne nähere Angaben eine Wirksamkeit von 27% ausgewiesen. Die EMEA gibt für jeweils wechselnde Populationen 2006 eine Wirksamkeit von 37,9% und 2008 von 46,1% an. Für die letztgenannte Auswertung wurde aber die Hälfte der Frauen rückwirkend ausgeschlossen.

Die Bitte um aussagekräftige Zahlen beantwortete das für Deutschland zuständige Unternehmen Sanofi-Pasteur MSD so: „Zahlen und Tabellen, die nicht in den Publikationen veröffentlicht sind, stehen nur den Kollegen zur Verfügung, die unmittelbar an der Auswertung der Ergebnisse beteiligt waren, d.h. der Zentrale in den USA. Diese Zahlen haben wir nicht und die werden wir auch sicher nicht bekommen.“ 

Die Empfehlung der STIKO zur HPV-Impfung muss umgehend überprüft werden

Die Empfehlung der STIKO aus dem März 2007 beruft sich nicht auf explizite Zahlen zur Wirksamkeit. Stattdessen erwähnt die STIKO, offenbar aufgrund eigener Hochrechnungen, eine „lebenslange Impfeffektivität“ von 92,5%. Die Herkunft dieser Zahl wird nicht erklärt, ganz abgesehen davon, dass man zur „lebenslangen“ Immunität keinerlei Daten hatte und hat. Hinweise auf eine Wirksamkeit dieser Größenordnung liefert keine der Studien.

Die Empfehlung der STIKO muss dringend überprüft werden. Dazu sollte die STIKO die neuen Studienergebnisse berücksichtigen und fehlende Daten vom Hersteller anfordern und in die Bewertung einbeziehen. Der Bewertung sollte explizit zu entnehmen sein, welche Wirksamkeit die STIKO von der Impfung erwartet und auf welchen Annahmen und auf welchen Daten diese Erwartungen beruhen.

Mädchen und Frauen müssen angemessen informiert werden

Die in Studien ermittelten Ergebnisse stehen in deutlichem Widerspruch zu vielen sehr optimistischen Verlautbarungen. Mädchen und Frauen haben aber ein Recht auf angemessene gesundheitliche Informationen. Wir wenden uns entschieden dagegen, dass zur Gefährdung durch Gebärmutterhalskrebs mit falschen Informationen Angst und Schuldgefühle erzeugt werden. Wir fordern, dass die Unsicherheiten in der Datenlage thematisiert werden. Behauptungen, die Impfung reduziere Gebärmutterhalskrebs um 70% oder gar 98%, müssen unterbleiben und durch studiengestützte Informationen ersetzt werden, die allen Beteiligten eine dem Kenntnisstand entsprechende Bewertung und Entscheidung ermöglichen. 

Unterzeichner: Prof. Martina Dören, Dr. Ansgar Gerhardus, Prof. Ferdinand M. Gerlach, Prof. Claudia Hornberg, Prof. Michael M. Kochen, Prof. Ingrid Mühlhauser, Corinna Schach, Prof. Petra Kolip, Prof. Oliver Razum, Prof. Norbert Schmacke, Prof. Jürgen Windeler

Kontakt: Dr. Ansgar Gerhardus, Universität Bielefeld, ansgar.gerhardus@uni-bielefeld.comde