Heute wie versprochen Teil 3 des Artikels von Frau Dr. Anita Idel
Grundsätzlich gilt für alle Bereiche, in denen das Ziel des Klonens in einer Massenproduktion liegt, dass Unikate Ausdruck des Scheiterns sind. Im Gegensatz dazu sind bei Haustieren auf Bestellung Unikate das Ziel. Mit Millioneninvestitionen locken reiche Haustierbesitzer seit Dolly Forschungsteams und Unternehmen. Diese können quasi aus der Not eine Tugend machen, liegt doch ihre Aufgabe darin, ein Tier zu machen, das seinem verstorbenen Vorgänger aufs Haar gleicht. Aber auch das potentiell gewinnträchtige Klonen von Wunsch-Pets bereitet große Probleme: Die erste kommerziell geklonte Katze war schlank, aktiv und grau-weiß gescheckt, während die, die sie ersetzen sollte, goldbraun und mollig war.
Im Jahr 2000 startete Genetic Savings & Clone (GSC), das erste Unternehmen zum kommerziellen Klonen von Katzen und Hunden. 2006 warb GSC mit reduzierten Kosten (32.000 Dollar) sowie dem Hinweis, die Erfolgsquoten des Klonens von Katzen würden sich nun denen normaler Züchtung nähern. Wenige Monate später gab das Unternehmen wieder auf, nachdem es innerhalb von sechs Jahren zwei Klonkatzen verkauft hatte (Elias 2006). Der weltweit erste geklonte Hund war im Jahr 2005 an der Universität von Seoul präsentiert worden. Ebenfalls in Süd Korea wurde im August 2008 der erste kommerziell geklonte Hund geboren.
Eine weit größere - ökonomische - Bedeutung könnten Unikate im Bereich der landwirtschaftlichen Tierzucht sowie im Wettsport bekommen. Wegen der hohen Kosten, die durch die niedrigen Erfolgsquoten verschärft sind, wird versucht, männliche Zuchttiere zu klonen, um anschließend ihr Erbgut durch künstliche Besamung zu verbreiten.
Seit Jahrzehnten vermarkten Unternehmen das Erbgut einzelner Bullen massenhaft. Da das Rinderejakulat sehr reich an Spermien und zudem tiefgefriertauglich ist, kann es auf durchschnittlich 300 einzelne Samenportionen aufgeteilt und anschließend tiefgekühlt weltweit gehandelt werden. Zuchtbullen werden durchschnittlich zweimal pro Woche entsamt, und von einigen gibt es bereits mehr als eine Million Nachkommen. Die Zuchtunternehmen versprechen sich Zusatzgewinne durch die Ausweitung des Spermaangebots einzelner Spitzenbullen durch deren Klone. Das Ejakulat von Ebern ist weniger spermienreich und verliert durch Einfrieren seine Befruchtungskapazität. Besonders hoch sind deshalb die kommerziellen Erwartungen an Klone von Spitzenebern, welche die Industrie mit „hoch bis sehr hoch" klassifiziert.
Erstens: Bereits heute führt die Verwendung nur weniger Vererber zu dramatischer Inzuchtentwicklung bei den landwirtschaftlich genutzten Tierrassen. Durch den zusätzlichen Einsatz von Klonen dieser Vererber würde die Bedrohung der biologischen Vielfalt sprunghaft zunehmen.
Zweitens: Bereits heute wird die Verfügbarkeit landwirtschaftlich nutzbarer Tiere für eine nachhaltige züchterische Entwicklung auch dadurch beschränkt, dass die vertikale und horizontale Integration von Zuchtunternehmen züchterische Entscheidungen auf immer weniger Eigentümer konzentriert. Als zentrale Strategie der Industrie erweist sich dabei die Sicherung des Eigentums an Tieren und ihren sämtlichen Nachkommen durch Patente. Diese Entwicklung würde durch den kommerziellen Einsatz transgener und/oder geklonter Tiere massiv verschärft, da diese grundsätzlich patentiert werden und der Patentschutz auch ihre Nachkommen einschließt. Die Be-drohung liegt zudem darin, dass auch Zuchtunternehmen zunehmend börsennotiert sind und den Interessen auch branchenfremder Akteure unterliegen.
Drittens: Im Erfolgsfall würde die Verwendung von Spermien geklonter Vatertiere für die künstliche Besamung geklontes Erbgut weltweit in den tierischen Populationen verbreiten. Die so geschaffenen Fakten ließen sich nicht rückgängig machen, wenn später Erbschäden bei den Nachkommen festgestellt werden sollten. Vergleiche mit der Kontamination durch gentechnisch manipulierter Soja drängen sich auf, wo weiträumige Regionen nicht mehr für die Produktion von gentechnikfreier Soja zur Verfügung stehen.
Die Praxis, transgene und geklonte Tiere zu patentieren, suggeriert Machbarkeit, verstellt den Blick auf die Realität und wirkt auf Politiker und Investoren im Sinne einer normativen Kraft des Fiktiven.
Trotz kritischer Einzelstimmen hatte eine Mehrheit im Europäischen Parlament jahrelang alle Entscheidungen mitgetragen, die die Entwicklung des Klonens möglich gemacht haben. Das betrifft insbesondere die millionen schweren Budgets für die Forschung, aber auch die Rah-menbedingungen. So wurde erst im Jahr 2005 das Tierzuchtrecht liberalisiert. Der internationale Handel mit Sperma, Eiern und Embryonen geklonter Tiere unterliegt außer der Einhaltung von Hygienestandards keinen Handelsbeschränkungen.
Am 3. September 2008 verabschiedete das Europäische Parlament jedoch mit 622 Ja-Stimmen - bei 32 Nein-Stimmen und 25 Enthaltungen - eine Entschließung zum Verbot des Klonens von Tieren für die Lebensmittelversorgung. Darin fordern die Parlamentarier die EU-Kommission auf, Vorschläge zu unterbreiten für die Umsetzung der folgenden Verbote im Bereich der Lebensmittelproduktion:
In einer Presseerklärung weist das Europäische Parlament (EP) darauf hin, „dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Juli 2008 ein wissenschaftliches Gutachten zu den Konsequenzen des Klonens von Tieren für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und Wohlergehen von Tieren und Umwelt veröffentlicht hat , in dem sie zu dem Schluss gelangt, dass ,häufig schwerste oder tödliche Konsequenzen für Gesundheit und Wohlergehen eines erheblichen Prozentsatzes von Klontieren verzeichnet werden. Die Sterblichkeitsrate und Krankheitsanfälligkeit von geklonten Tieren seien höher als die von auf natürlichem Wege gezeugten Tieren, so das Parlament weiter. Viele Klontiere würden in frühen Lebensphasen aufgrund von Herzversagen, Immunschwäche, Leberversagen, Atemproblemen oder Nieren- bzw. Muskel-Skelett-Anomalien sterben. Das Klonen führe zudem zu einem deutlichen Rückgang der genetischen Vielfalt bei Nutztierbeständen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass ganze Herden durch Seuchen dezimiert würden, für die sie anfällig sind. Auch die Europäische Gruppe für Ethik sehe ‚keine überzeugenden Argumente‘ für die Rechtfertigung der Lebensmittelerzeugung aus Klontie-ren und ihren Nachkommen, betont das ER.
Die Verbotsforderung beschränkt sich ausdrücklich auf den Bereich der Lebensmittelproduktion. Das Parlament sieht die EU-Kommission in der Pflicht und lässt vorerst völlig offen, wie eine Umsetzung aussehen könnte.
Hinsichtlich der Forschung liegt die Schwierigkeit darin, dass viele Projekte der Methodenentwicklung dienen. So ist die Klonforschung seit 25 Jahren - unabhängig vom konkreten (Klon-)Ziel - mit Millionen gefördert worden. Diese kamen von Universitäten, For-schungsministerien und der privaten Industrie ebenso wie von Haustierbesitzer/-innen mit Verlustschmerz und Scheichs mit Kamelrennställen. Tatsächlich lässt sich bei einem großen Teil der Forschungsgelder durch neutral klingende Projekttitel nicht unterscheiden, ob ihr Ziel letztlich in der Entwicklung von Klontieren für die Landwirtschaft oder für andere Anwendungsbereiche liegt.
Als noch schwieriger dürfte sich nach jetziger Rechtslage die Umsetzung der geforderten Einfuhrverbote erweisen. Eine spezielle EU-Klongesetzgebung existiert nicht. Grundsätzlich gilt, dass eine Marktabschottung im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) nur möglich ist, wenn Risiken für die menschliche Gesundheit belegt werden können. Aber Probleme aus Wettbewerbsgründen bestehen nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der EU. Denn jährlich werden Samenportionen im Wert von insgesamt 23 Millionen Dollar aus den USA in die EU importiert, und einige Zuchtunternehmen in der EU, die bereits in US-amerikanischem (Teil- )Besitz sind, fordern ihr Recht auf uneingeschränkten Umgang mit Samen und Embryonen von Klontieren und deren Nachkommen.
Die US-amerikanische Zulassungs- und Überwachungsbehörde für Lebensmittel und Pharmaprodukte FDA sieht ausdrücklich keine Kennzeichnung vor - weder von Produkten geklonter Tiere noch von Produkten ihrer Nachkommen. In der US-Wirtschaft zeichnet sich aber beim Handel eine gegenläufige Tendenz ab: Bereits im Januar 2008 hatte Dean Foods Co., einer der größten amerikanischen Milchproduzenten, angekündigt, keine Milch geklonter Tiere vertreiben zu wollen. Und Whole Foods Market Inc. erklärte, entsprechend ihres Selbstverständnisses würden sie Konsument/-innen generell mit „clone-free products" versorgen. Auch Tyson Foods Inc., einer der größten US-Fleischproduzenten, erklärte, keine Pläne zum Kauf von geklonten Tieren zu haben.
Innerhalb von zwei Tagen (!) reagierten 20 große Nahrungsmittelunternehmen - darunter Smithfield Foods, Kraft Foods und der Babynahrungsproduzent Gerber/Nestle - auf die Verbotsforderungen des EU-Parlaments zum Import von Klonprodukten: Am 5. September 2008 veröffentlichten sie ihre Selbstverpflichtung, keine geklonten Tiere für die Lebensmittelproduktion zu verwenden. Damit hatte der Gigant unter den Fleischproduzenten, Smithfield Foods Inc., die Seiten gewechselt, nachdem er noch im Januar 2008 erklärt hatte, Konsumenten könnten das Klonen schätzen lernen, wenn ihnen beispielsweise magere und größere Fleischstücke angeboten würden.
Insgesamt besteht keine wirkliche Klarheit darüber, ob Produkte geklonter Tiere oder ihrer Nachkommen bereits in den Handel gekommen sind. Verkompliziert wird die Situation durch einen Entwurf der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA vom 18. September 2008 zum Umgang mit transgenen Tieren und ihren Produkten. Danach sollen transgene Tiere für den Lebensmittel-bereich nach den neuen Bestimmungen der FDA für tierische Arzneimittel zugelassen und in der Regel nicht gekennzeichnet werden.
Eine Kennzeichnung ist nur im Einzelfall zu Werbezwecken vorgesehen, wenn Inhaltsstoffe eines Produktes in Folge der gentechnischen Manipulation verändert sind und diese zum Beispiel mehr ungesättigte Fettsäuren oder einen geringeren Gesamtfettgehalt enthalten als Produkte nicht gentechnisch manipulierter Tiere. Das Center for Food Safety kritisiert zudem mangelnde Transparenz bei der Zulassung, weil die Unterlagen der Unternehmen nicht öffentlich zugänglich sind.
Ob geklonte, transgene oder geklonte und transgene Tiere: Die Haltung der Konsument/innen und wie wichtig diese den großen Lebensmittel- und Handelsunternehmen ist, wird die künftige Entwicklung entscheidend prägen. Viel Arbeit kommt auf das EU-Parlament zu, wenn es seine Ablehnung des Klonens im Lebensmittelbereich wirklich ernst meint.