Klonfleisch im Kühlregal? 25 Jahre Klonforschung an Tieren (2)

Heute wie versprochen Teil 2 des Artikels von Frau Dr. Anita Idel

Gentechnische Misserfolge - Motor der Klonforschung

Die Geschichte der Klonforschung wäre ohne das Scheitern der gentechnischen Manipulation von Tieren nicht vollständig: Bereits Mitte der 1980er-Jahre führten die desaströsen Ergebnisse der gentechnischen Manipulation - der Forschung mit transgenen Tieren - zu einem Investitionsschub für die Klonforschung. Und auch heute noch gibt es aufgrund der enormen biologisch und technisch bedingten Probleme beim Gentransfer weltweit keine transgenen Tiere in der kommerziellen Landwirtschaft. Es waren von Anfang an die Misserfolge der gentechnischen Manipulation von Tieren, die zum entscheidenden Motor der Klonforschung wurden.

Die Mikromanipulation, die gängige Technik beim Gentransfer auf Säugetiere, erlaubt keinen Einfluss darauf, ob und wenn ja wo fremde Gene in das Erbgut eingefügt werden. Da jede erfolgreiche Genmanipulation zu einem anderen Insertionsort bzw. anderen Insertionsorten führt, sind auch die Auswirkungen - die resultierenden gewünschten und nicht gewünschten Eigen-schaften der Tiere - jeweils unterschiedlich. In den meisten Fällen sterben die manipulierten Embryonen ab, so dass die „Erfolgsquoten" entsprechend niedrig liegen. Die weltweite Effizienz der Mikroinjektion wird heute je nach Tierart mit ein bis vier Prozent angegeben (Nie-mann 2007). Sie wird darüber hinaus durch die geringe Vererbungsstabilität der Transgene - die mangelhafte Weitergabe der zusätzlichen Gene von Generation zu Generation - begrenzt.

Der Grund für die schlechte Bilanz ist letztlich ein evolutionsbiologischer: Jedes Lebewesen, so auch jedes Tier, ist ein Individuum mit einem über Jahrtausende im Laufe der Evolution entstandenen Genom seiner Art. Es gibt daher keinen „richtigen" Ort für zusätzliche fremde Gene bei der gentechnischen Manipulation von Säugetieren. Auch ein gezielter Gentransfer könnte nichts am empirischen, zufallsbehafteten Charakter gentechnischer Manipulation ändern. Die tatsächlichen Auswirkungen lassen sich nach dem „Try and Error"-Prinzip stets nur im Nachhinein feststellen.

Viele Protagonisten der Forschung an transgenen Tieren wiesen noch nach über zwei Jahrzehnten Forschung und Entwicklung Ende der 1990er-Jahre Kritik an den verbrauchten Forschungsmillionen und dem Tierleid mit der Begründung zurück, der Gentransfer beim Tier befinde sich „noch in den Kinderschuhen". Hingegen hielten einige Pioniere bereits Mitte der 1980er-Jahre - wenige Jahre nach dem Durchbruch, den weltweit ersten transgenen Säugetieren - die Mikromanipulation für „nicht optimierbar". Letztere sahen deshalb einen Ausweg in der Weiterentwicklung von Klontechniken, um Investitionen in die gentechnische Manipulation von Tieren doch noch Gewinn bringend nutzen zu können: In den Fällen, in denen ein gentechnisch manipuliertes Individuum die gewünschten (und möglichst wenig ungewünschte) Wirkungen zeigt, soll(t)e es durch Klonen massenhaft vervielfältigt werden.

Das Ziel, einzelne transgene Tiere durch Klonen massenhaft zu vervielfältigen, beschränkt sich aber nicht auf die Landwirtschaft. Interesse besteht auch für die Humanmedizin: Zum einen sollen durch das Gene-Pharming Arzneimittel in Flüssigkeiten, zum Beispiel in der Milch transgener Tiere, produziert werden; zum anderen wird für die Xenotransplantation an transgenen Schweinen geforscht, deren Organe auf Menschen übertragen werden sollen.

Der Durchbruch - Klonen nach der Dolly-Methode

Bereits in den 1970er-Jahren war in Verbindung mit der Entwicklung des Embryotransfers intensiv an Vervielfältigungstechniken - insbesondere an der Teilung von Embryonen - geforscht worden. Aber das Zwillingsproduktion oder Twinning genannte Verfahren bot kein Potential zur massenhaften Vervielfältigung. Das galt auch für die anfängliche Forschung am Kerntransfer, bei dem Kerne frühembryonaler Entwicklungsstadien verwendet wurden. Die Vision lag darüber hinaus darin, nicht Embryonen, sondern bereits geborene Tiere vervielfältigen zu können - durch den Transfer von Gewebszellkernen ausgewachsener Tiere.

Auf den gentechnischen Durchbruch von 1980 folgte 1996 der Durchbruch beim Klonen: Forscher vom Roslin-Institut in Edinburgh präsentierten den Medien im Februar 1997 nach über einem Jahrzehnt der Forschung an Tausenden Embryonen ihr Ergebnis: Die damals drei Monate alte Dolly war als erstes Säugetier durch Somatic Cell Nuclear Transfer (SCNT) entstanden - durch Verwendung eines Zellkerns aus dem Eutergewebe eines ausgewachsenen Schafes. Bis dahin hatten viele Wissenschaftler/-innen für unmöglich gehalten, dass Zellkerne, die aus ausdifferenzierten Gewebszellen und nicht aus Zellen früher embryonaler Stadien stammen, so weit rückprogrammiert werden könnten, dass daraus neue Lebewesen hervorgehen können. Die übliche Formulierung, Dolly sei aus 273 Embryonen entstanden, ist sachlich richtig, aber dennoch irreführend, weil sie suggeriert, 273 Embryonen wären für die Entwicklung von Dolly ausreichend gewesen.

Den Preis zahlen die Tiere

Aber neben den Forschungsmillionen ist es das individuelle Tierleid, welches in den Zahlenwerken nicht dokumentiert wird. Es gibt beides: Klonen pur und in Verbindung mit gentechnischer Manipulation. Im letzteren Fall wird in die Körperzelle, die man dem erwachsenen Tier entnimmt, zusätzlich fremdes Erbgut injiziert, wodurch nicht nur vermeintlich identische Tiere geschaffen, sondern auch genetisch veränderte Tiere erzeugt werden sollen. Aber auch beim Klonen pur kommt es in der Regel zu Veränderungen des Erbguts. Verändert wird dabei die Regulation der Genaktivitäten im Rahmen der Epigenetik. Diese nicht willentlichen Störungen führen zu gravierenden gesundheitlichen Schäden und geringen Erfolgsquoten des Klonens. Die frühembryonale Aktivierung so genannter Entwicklungsgene wird durch die Dolly-Methode so sehr gestört, dass die meisten Klone vor der Geburt absterben, viele missgebildet zur Welt kommen und nur ein noch kleinerer Teil erwachsen wird, wobei die optische Unversehrtheit der Tiere kein Garant für die Funktionstüchtigkeit der inneren Organe und des Stoffwechsels ist.

Die Erfolgsquoten der verschiedenen Spezies - gemessen in lebend geborenen Klontieren - schwanken in den einzelnen Versuchen zwischen einer Quote von unter einem Prozent bis hin zu 15 bis 20 Prozent. Nach Niemann (2007) sind jedoch selbst die lebensfähigen Klontiere nicht völlig identisch und altern wegen verkürzter Telomere, den Wachstumsenden der Chromosomen, vorzeitig. Hinzu kommen Krankheiten bei Überlebenden, die zwar bei der Geburt gesund aussehen, später aber massiv erkranken. Denn Immunschwächen, Lungenversagen, Leber- und Nierenfibrosen, Krankheiten des Herzmuskels, Fettleibigkeit und Blutarmut zählen zu den möglichen Folgen des Klonens.

Die meisten der überlebenden Klontiere leiden unter fötalem Riesenwuchs, dem Large Offspring Syndrom. Dieses unter Tierschutzaspekten für Nachkommen und Mutter höchst problematische Syndrom übergroßer Früchte war aus Versuchen zur In-Vitro-Fertilisation (IVF) schon seit Anfang der 1980er-Jahre bekannt. Die Ursache dafür liegt in der Embryonenreifung im Reagenzglas. Zur Verkürzung wird deshalb ein Teil der Rinderembryonen temporär in die Eileiter von Schafen oder Kaninchen übertragen. Aber weiterhin wird beim Rind - als gängige Form der Schadensbegrenzung nach IVF - zur Vermeidung von ökonomischen Verlusten beim Kalben routinemäßig ein Kaiserschnitt durchgeführt. Dies allein wäre Grund genug, den Qualzuchtparagraphen des Deutschen Tierschutzgesetzes anzuwenden. Nach §11b TschG ist es „verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn der Züchter damit rechnen muss, dass bei der Nachzucht aufgrund vererbter Merkmale Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."

Erschreckende Bilanz ...

Die Bilanz nach über 30 Jahren Forschung für den tierischen Gentransfer lautet: Trotz staatlicher und industrieller Millionen, die seit Jahrzehnten in ihre Erforschung investiert werden, gibt es bis heute weltweit keine transgenen Tiere in der kommerziellen Landwirtschaft.

Hoffnung macht(e) indes die Möglichkeit, in Kombination mit dem Klonen statt der Mikromanipulation eine neue Technik für den Gentransfer anzuwenden - im Rahmen des somatischen Kerntransfers nach der Dolly-Methode (SCNT). Der SNCT ermöglicht, die Gewebs-zellen in vitro gentechnisch zu manipulieren und vor dem Kerntransfer daraufhin zu testen, ob die fremden Gene exprimiert (aktiviert) werden. Obwohl dieses kombinierte Gentransfer-Klon-Verfahren als neue Ära der Entwicklung transgener Tiere gefeiert wird, können die Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst wenn bei Rindern eine erhöhte Erfolgsquote erreicht wird, sich immer noch 80 bis 85 Prozent der übertragenen Embryonen nicht zu lebens- und entwicklungs-fähigen Tieren entwickeln.

Und auch das Klonen pur - vermeintlicher Inbegriff der Berechenbarkeit - bleibt nach einem Vierteljahrhundert Forschung auf Zufälle beschränkt. Denn trotz des Durchbruchs führt die Dolly-Methode nicht zu wiederholbaren Ergebnissen und nur in Einzelfällen zu lebensfähigen Tieren. Diese sind zudem nur teilweise identisch mit dem Ausgangstier, von dem der Zellkern stammt Dolly war - ebenso wie die meisten der überlebenden geklonten Tiere - ein Unikat. Die Bestückung ganzer Tierställe mit Tieren aus nur einem Klon, um individuelle Fütterung und Behandlung einzusparen, bei gleicher Mastdauer und gleichem Mastendgewicht - diese Hoffnung auf Massenproduktion erbgleicher Tiere bleibt weiterhin Illusion. Die Gefahr läge aber im Erfolg: Denn eine mögliche Gleichheit geklonter Tiere bestünde nicht nur hinsichtlich gewünschter Eigenschaften. Erbgleiche Tiere wären auch bezüglich einer Krankheit, gegen die sie nicht geschützt sind, gleich anfällig.

... und trotzdem „unbedenklich"?

Trotz dieser erschreckenden Bilanz verlautbarte die Food and Drug Administration (FDA), die US-amerikanische Zulassungs- und Überwachungsbehörde für Lebensmittel und Pharmaprodukte, bereits im Jahr 2003, der Konsum von Produkten geklonter Nutztiere sei unbedenklich. Ende 2006 resümierte die FDA, Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen der Produkte geklonter Tiere zeigten, dass diese denen nicht geklonter Tiere gleichzusetzen seien. Folglich bedürfe es keiner Zulassung und auch keiner Kennzeichnung.

Diese Position machte sich auch die EU-Kommission bereits früh zu eigen, indem sie eine dem Gentechnikrecht vergleichbare Klongesetzgebung und auch die Kennzeichnung der Produkte ablehnte. Anfang 2008 veröffentlichte die European Food Safety Authority (EFSA) ihren „Gutachtenentwurf über das Klonen von Tieren zur öffentlichen Konsultation", in dem der wissenschaftliche Ausschuss der EFSA bereits mit der ersten der vier „wichtigsten Schlussfolgerungen" eindeutig Stellung bezog: „Obwohl die Sterblichkeits- und Erkrankungsrate von Klonen signifikant höher ist als die, die bei durch normale Fortpflanzung reproduzierten Tieren beobachtet wurde, lassen gesunde Klone und ihre Nachkommen darauf schließen, dass die Technologie des somatischen Zellkerntransfers (SCNT) bei Rindern und Schweinen erfolgreich als Reproduktionsmethode eingesetzt werden kann. Auf der Grundlage einer Reihe von Parametern, einschließlich physiologischer und klinischer, weisen gesunde Klone und ihre gesunden Nachkommen keine signifikanten Unterschiede gegenüber konventionell erzeugten Tieren auf."

Im Kapitel 2.2 „Geklonte Arten und Effizienz des Klonens" macht die EFSA unmissverständlich deutlich, wer mit „gesunde Klone und ihre gesunden Nachkommen" gemeint ist: „Die Erfolgsrate des Klonens ist insgesamt noch gering und variiert stark zwischen den Arten. Die Gesamterfolgsrate - ausgedrückt als der Anteil lebender Nachkommen an den übertragenen embryonalen Klonen - reicht ungefähr von 0,5 bis 5 Prozent - in Abhängigkeit von der Tierart."

Nach Auswertung des sechswöchigen Konsultationsprozesses wurde im Juli 2008 die offizielle Endversion des Gutachtens veröffentlicht - mit unveränderten Schlussfolgerungen. Während die EFSA dabei weiterhin einräumt, dass die Erfolgsrate des Klonens insgesamt gering ist, fehlt aber nun die Zahlenangabe, wonach die Erfolgsquoten zwischen 0,5 und 5 Prozent liegen.

Da die EFSA ihre Schlussfolgerungen auf vermeintlich „gesunde Klone und ihre gesunden Nachkommen" reduziert, basiert das positive Votum des Wissenschaftlichen Ausschusses auf den zufälligen Ausnahmen - jenen 0,5 bis 5 Prozent. Schon der Gedanke an die Markteinführung eines neuen Typs, dessen Herstellung über 95 Prozent Ausschuss provoziert, wäre - beispielsweise in der Automobilindustrie - absurd. Dass die EFSA trotz der marginalen Erfolgsquoten eine Sicherheit von Klonprodukten attestiert und die Markteinführung von Klonprodukten für das Jahr 2010 prognostiziert wird, wirft Fragen nach den Interessen der Akteure auf.

Im nächsten Brief - das ist dann Teil 3 - werde ich den Aufsatz von Frau Dr. Anita Idel fortsetzen.