Wer lügt am dreistesten? Das fragt der Verbraucherverband Foodwatch - und stellt fünf Produkte zur Wahl. Alles Lebensmittel, die besonders gesund oder erlesen sein sollen.
Nachfolgend ein Artikel von Benjamin Laufer:
Joghurt, "der Abwehrkräfte activiert". Mit solchen Verheißungen wird der "pro-biotische" Joghurt "Actimel" als etwas Besonderes beworben. Zu recht? Keineswegs, lautet das Urteil der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Sie hält die Werbung des Herstellers für "activen Etikettenschwindel".
Die stark im Fernsehen beworbenen Joghurtdrinks gehören zu den fünf Kandidaten, die Foodwatch nun im Internet zur Wahl für den "Goldenen Windbeutel" stellt. Verliehen wird der Preis für die "dreisteste Werbelüge eines Lebensmittelherstellers". Ausgewählt wurden die Produkte von einer fünfköpfigen Jury, darunter Journalisten, eine Fernsehköchin und ein Werbefachmann. Wählen sollen jetzt die VerbraucherInnen selbst.
"Die Lebensmittelindustrie wird irreführende Werbung nur dann aufgeben, wenn Ross und Reiter genannt werden und sich die Verbraucher wehren", sagt Anne Markwardt, die die Foodwatch-Kampagne leitet. Und Irreführung gehört oftmals zum Konzept.
Zum Beispiel beim oben erwähnten Joghurt: Die nicht unbedingt preiswerten Trinkjoghurts sollen, so verspricht es die Werbung, das Immunsystem stärken. Doch diese Wirkung ist kein Privileg der "pro-biotischen" Sorten. "Auch herkömmlicher Naturjoghurt kurbelt das Immunsystem an, und zwar wesentlich preisgünstiger", argumentiert Foodwatch.
Die EU hat solchen Formen von Werbung Ende 2006 eigentlich durch die so genannte Health-Claims-Verordnung strenge Grenzen gezogen: Gesundheitsbezogene Angaben dürfen demnach nur verwendet werden, wenn dies auch streng wissenschaftlich belegbar ist. Doch in diesem Fall greift die Richtlinie nicht: Dass "pro-biotischer" Joghurt tatsächlich die Abwehrkräfte fördert, steht ja außer Frage. Nur tut das eben jeder andere Joghurt auch.
Geregelt sind in der Verordnung bislang außerdem nur wenige Begriffe. "Gesund" etwa kann unbehelligt davon noch jedes Lebensmittel genannt werden. Eine Erweiterung der von der Verordnung erfassten Begriffe ist immerhin geplant.
"Die Gesetze ermöglichen es, Verbraucher in die Irre zu führen", sagt Foodwatch-Sprecher Martin Rücker der taz. "Das machen die Hersteller, um ihre Produkte besser absetzen zu können." Es handele sich demnach um "legale Verbrauchertäuschung."
Die Kritik von Foodwatch richtet sich aber nicht nur gegen gesundheitsbezogene Behauptungen. Ein Pesto zum Beispiel, das nach Herstellerangaben "nur aus besten Zutaten" besteht und Pinienkerne sowie hochwertiges Olivenöl enthalten soll, fällt den Verbraucherschützern ebenfalls unangenehm auf: Pinienkerne und Olivenöl sind nur in kleinen Alibi-Mengen enthalten, billigere Ersatzzutaten sind Hauptbestandteil des Produkts. Das Bertolli-Pesto ist eine "Mogelpackung", urteilt Foodwatch.
Weiterhin stehen ein "Genießerkuchen" der Marke Bahlsen und Kindergetränke von Bauer und Eckes zur Wahl. "Irreführung bis zur Zahnfäule" wirft die Kampagne dem "Frucht-Tiger" von Eckes vor. Das Produkt enthält zahnschmelzschädigende Zitronensäure. Dennoch wird es als "der gesunde Durstlöscher" gepriesen. Der Autor und Verlagskaufmann Harald Dzubilla nominierte das Produkt für den Goldenen Windbeutel: "Weil hier Kinder 'missbraucht' werden."
Und im "Biene Maja-Kinderdrink" von Bauer fanden die Foodwatch-Experten gar das Äquivalent von 44 Würfeln Zucker pro Liter Getränk. Mehr als zum Beispiel in Cola.
"Uns geht es darum, den Verbrauchern zu zeigen, dass sie in die Irre geführt werden", sagte Rücker. Nur so könne ein genügend großer öffentlicher Druck auf die Unternehmen aufgebaut werden, dass sie irreführende Werbung künftig unterlassen. Der Goldene Windbeutel kann bis zum 19. März unter www.abgespeist.de gewählt werden.