Multitalente für die Gesundheit – Aminosäuren (2)

Multitalente für die Gesundheit – Aminosäuren (2)

Schon vor einiger Zeit erhielten Sie Teil 1 dieser Übersicht über die Bedeutung und Wirkungsweisen der Aminosäuren. Ich erhielt daraufhin eine Email, die im Prinzip aussagte, dass diese Ausarbeitung etwas zu "technisch" und wenig verständlich sei. Ich kann das verstehen. Nun kann ich aber nicht immer alles ganz einfach beschreiben und unter den Lesern der Gesundheitsbriefe gibt es auch eine Menge Profis, die - wie sie mir schreiben - auch gern solche Übersichten haben, weil sie diese Informationen auch beruflich verwerten können. Ich bitte also um Nachsicht, wenn ich den Teil 2 und dann noch den danach folgenden Teil 3 so belasse wie er ist: Eine Zusammenfassung für Profis und solche Leser, die sich tiefergehend mit den natürlichen Wirkstoffen beschäftigen möchten. 

Die Orthomolekulare Medizin (OM) verwendet zur Prävention und zur Behandlung ernährungsabhängiger bzw. chronisch degenerativer Erkrankungen keine körperfremden Substanzen. Zu den orthomolekularen Substanzen gehören auch die Aminosäuren, deren therapeutisches Potenzial erfreulicherweise zunehmend erkannt und auch genutzt wird. Heute erhalten Sie Teil 2 der Übersicht über Aminosäuren.

Citrullin

Citrullin ist keine proteinogene Aminosäure, sondern ein Metabolit des Harnstoffcyklus. Die Bildung von Citrullin ist eine Stoffwechselleistung der Enterozyten. Ungefähr 13 Prozent des von den Enterozyten aufgenommenen Glutamins wird zu Citrullin verstoffwechselt. Das vom Darm freigesetzte Citrullin wird dann von den Nieren zur Argininsynthese verwendet. Die Citrullinkonzentration im Blutserum kann also einen Hinweis auf die Leberfunktion (Harnstoffzyklus) geben; sie ist aber auch ein Marker für die Funktionsfähigkeit der Enterozyten.

Neuere Studien haben gezeigt, dass die Citrullin-Supplementierung eine effektive Maßnahme dafür ist, den Argininspiegel anzuheben, da Citrullin rasch zu Arginin verstoffwechselt wird. Citrullin hat sogar einen erheblichen Vorteil gegenüber einer Argininsupplementierung: Es erhöht nicht die Aktivität der Arginase, die für einen beschleunigten Argininabbau sorgt.

Glutaminsäure

Glutaminsäure ist sozusagen eine wichtige Drehscheibe des Aminosäurenstoffwechsels, was auch daran erkennbar ist, dass die Enzyme des Glutamatstoffwechsels häufig verwendete Parameter der Labormedizin sind. Glutaminsäure ist Ausgangssubstanz für die Bildung von Glutamin, Prolin, Arginin und Ornithin sowie von N-Acetylglutamat, einem wichtigen Regulatormolekül des Harnstoffzyklus. Glutamat, das Salz der Glutaminsäure, ist der bedeutendste excitatorische Neurotransmitter im ZNS, außerdem die Vorstufe des inhibitorischen Neurotransmitters GABA.

Glutamat spielt eine zentrale Rolle für die synaptische Plastizität, insbesondere für die Langzeitpotenzierung. Allerdings hat Glutamat auch neurotoxische Eigenschaften, besonders dann, wenn die Energieversorgung der Neuronen beeinträchtigt ist. Bei verschiedenen Erkrankungen sind excitotoxische Effekte mitbeteiligt, z.B. bei Epilepsien, bei der cerebralen Ischämie und beim Apoplex. In jüngerem Lebensalter und bei bestehenden Lem- und Konzentrationsstörungen kann eine Supplementierung der Glutaminsäure zur Verbesserung der Hirnleistungsfähigkeit durchaus angebracht sein.

Glutamin

Glutamin ist mit einem Mengenanteil von 20 Prozent die quantitativ bedeutendste freie Aminosäure im Blutserum und im Muskelgewebe. Es spielt bei einer Vielzahl von Stoffwechselwegen eine wichtige Rolle, z.B. für die Bereitstellung von Stickstoff für die Synthese von Purinen, Pyrimidinen, Nukleotiden und Aminozuckern. Glutamin ist ein wichtiges Energiesubstrat für die Zellen des Gastrointestinaltrakts sowie eine Energiequelle für alle sich schnell vermehrenden Zellen des Immunsystems. Aufgrund seiner Fähigkeit, das Zellvolumen zu stabilisieren, besitzt es einen antikatabolen Effekt. Außerdem ist Glutamin für die Regulation des Säure-Basen-Haushalts von Bedeutung, weil es von den Nieren zur Bildung und Ausscheidung von Ammoniumionen verstoffwechselt wird.

Im Postaggressionsstoffwechsel, z.B. bei Entzündungen oder nach chirurgischen neurologischen Eingriffen, kommt es zu einer Verarmung des Glutaminpools, die sich z.B. in einem verlängerten Krankheitsverlauf und in einer erhöhten Infektanfälligkeit auswirkt. Auch bei Leistungssportlern besteht ein erhöhter Glutaminbedarf. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Glutaminsupplementierung nach Ausdauerbelastung die Infektanfälligkeit vermindern kann. Glutamin ist eine wichtige Ausgangssubstanz für die Bildung von Glutathion und des Neurotransmitters GABA. Oftmals kann eine Glutaminsupplementierung auch bei Magen-Darm-Erkrankungen wie dem „leakygut-syndrome" oder dem colon irritabile hilfreich sein.

Glycin

Glycin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung zahlreicher Moleküle: Glutathion, Cholin, Porphyrine, Purine, Kreatin, Collagen und Elastin. Zu seiner Stoffwechselbedeutung gehört auch seine Beteiligung an der Synthese von Gallensäuren und an Phase-Il-Entgiftungsreaktionen. Glycin ist ein inhibitorischer Neurotransmitter an Glycinrezeptoren, d.h. es zeigt spasmolytische Effekte; zudem ist es ein CoNeurotransmitter an NMDA-Rezeptoren.

Glycin hat entzündungshemmende und hepatoprotektive Eigenschaften. Neuerdings gibt es auch Hinweise auf eine antioxidative Wirkung sowie auf einen Schutzeffekt gegen die Bildung von AGEs.

Glycin kann bei verschiedenen Symptomen erfolgreich eingesetzt werden, z.B. als spasmolytische Substanz bei Muskelverspannungen; auch bei Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen weist es eine positive Wirkung auf; es unterstützt ferner die Entgiftungskapazität der Leber und kann entzündliche Prozesse vermindern.

Glycin-Gaben können auch bei auftretenden Panikattacken oder Ängstlichkeit helfen, da diese Aminosäure die Bildung von Noradrenalin im ZNS reduziert.

Histidin

Histidin wird heute zu den essenziellen Aminosäuren gezählt. Der pH-Wert von Histidin befindet sich im Neutralbereich, dadurch kann es sowohl als Protonen-Donator als auch als Protonen-Akzeptor auftreten. Aufgrund dieser chemischen Eigenschaften hat Histidin als Ligand in Metallverbindungen wie Hämoglobin, Myoglobin, Carboanhydrase etc. funktionelle Bedeutung.

Histidin ist die Ausgangssubstanz für die Bildung des Dipeptids Carnosin, das wichtige antioxidative und neuroprotektive Eigenschaften aufweist. Auch Histidin selbst besitzt ein antioxidatives Potential. Histidin fördert die Prostacyclinsynthese und reduziert die Thrombozytenaggregation. Bei verschiedenen „free radical diseases" wie rheumatoider Arthritis und Morbus Alzheimer wurden erniedrigte Histidinkonzentrationen nachgewiesen. Histidin ist auch die Ausgangssubstanz für die Bildung von Histamin, das im Organismus als Gewebshormon und Neurotransmitter weit verbreitet ist.

Isoleucin, Leucin, Valin

Diese drei Aminosäuren sind aufgrund ihrer chemischen Struktur unter dem Begriff verzweigtkettige Aminosäuren zusammengefasst (BCAAs). Im Gegensatz zu den übrigen Aminosäuren werden sie nicht in erster Linie in der Leber verstoffwechselt, sondern in der Muskulatur. 35 Prozent der Muskelproteine bestehen aus BCAAs. Sie dienen im arbeitenden Muskel als Energielieferanten und sind auch anabole Signalgeber, die die Proteinsynthese fördern.

Leucin aktiviert die Proteinkinase mTOR - ein wichtiger Energiesensor im Stoffwechsel. Möglicherweise könnte über eine vermehrte Zufuhr der verzweigtkettigen Aminosäuren eine Begrenzung der Nahrungsaufnahme und eine Reduzierung des Körpergewichts erreicht werden.

Die BCAAs können zur Reduktion des Aminosäurenkatabolismus und zur Verbesserung der Stickstoffbilanz mit Erfolg eingesetzt werden, weshalb sie bei Erkrankungen mit hohem Proteinabbau, z.B. Tumorerkrankungen, häufig sehr nützlich sind. Besonders auch bei chronischen Lebererkrankungen sollte auf eine ausreichende Zufuhr der verzweigtkettigen Aminosäuren geachtet werden, da diese die Aufnahme der aromatischen Aminosäuren wie z.B. Tryptophan und Tyrosin über die Blut-Hirnschranke verhindern können. Ein erhöhter Bedarf an BCAAs besteht außerdem bei physischem Stress und bei Leistungssport.

Lysin

Lysin ist wie Arginin eine basische Aminosäure, die im Vergleich zu den übrigen Aminosäuren im Organismus sehr stark konserviert wird. Zu den Funktionen des Lysins gehört seine Beteiligung an der Collagen- und Elastin Biosynthese und seine Eigenschaft als Ausgangssubstanz für die Bildung von Carnitin. Die Leberrezeptoren verfügen über lysinreiche LDL-Regionen. Lysin ist auch ein Stimulator der STH-Sekretion und essenziell für die Immunkompetenz; es hat einen positiven Einfluss auf die intestinale Calciumresorption und ist einer der Mikronährstoffe, die bei der Prävention und Therapie der Osteoporose eine Rolle spielen. Eine Supplementierung dieser Aminosäure hat einen positiven therapeutischen Effekt bei Infektionen mit Herpesviren. Lysin ist sozusagen der Stoffwechselgegenspieler zu Arginin und kann die Argininaufnahme in die virenproduzierenden Zellen hemmen, weshalb sich die Herpesviren dann nicht vermehren können.

Durch eine Supplementierung von einem Gramm Lysin täglich konnte bei Typ-2-Diabetikern eine Reduzierung der postprandialen Glukosekonzentration erreicht werden: Wahrscheinlich wird durch Lysin die Tyrosinkinase des Insulinrezeptors stimuliert.

Im folgenden Gesundheitsbrief lesen Sie dann Teil 3 dieser Übersicht.