Adelle Davis: Unterschätzen Sie das Alltägliche nicht

Ich hatte Ihnen versprochen, immer mal wieder einen Gesundheitsbrief aus den Texten von Adelle Davis zusammenzustellen. Heute erhalten Sie den Teil 1 eines Kapitels zu essentiellen Fettsäuren aus dem Buch "Jeder kann gesund sein". Das Thema "Fette" - insbesondere die so häufig anzutreffenden gesundheitlich sehr bedenklichen Transfette - ist ein heißes Thema. Wir werden uns bestimmt noch öfter damit beschäftigen.

Doch jetzt der Text von Adelle Davis.

Unterschätzen Sie das Alltägliche nicht - Die essentiellen Fettsäuren

Für die Ernährung sind alle Nahrungsmittel gleich wichtig, das sollte man sich immer vor Augen halten. Mangel an Fett kann, und wahrscheinlich kommt das häufig vor, ebenso viele Schäden anrichten wie der Mangel an irgendeinem anderen Nährstoff. Seine Hauptaufgabe ist es, Kalorien zu liefern; etwa 15 Millionen Deutsche mit Übergewicht können bezeugen, daß die Kalorienbeschaffung allein kein Problem ist.

Lebenswichtig dagegen ist, welche Art Fett als Strukturbestandteil jeder Körperzelle gebraucht wird. Um normal funktionieren zu können, müssen Nerven und Gehirn besonders große Mengen ganz bestimmter Fette und fettartiger Substanzen erhalten. Die Hormone der Nebennierenrinde und der Keimdrüsen bestehen aus ganz bestimmten Fettarten. Ferner müssen Fette für die Darmbakterien zur Verfügung stehen, damit diese sich ordnungsgemäß vermehren können. Jedes Fett kann Kalorien liefern, jedoch nur bestimmte Fettsorten können den vorgenannten Zwecken dienen.

Wenn man Fett ißt, wird dieses während der Verdauung in Glyzerin und Fettsäure zerlegt. Diese Säuren, die alle verschieden aufgebaut sind, haben ihre eigenen Namen, und die Gelehrten sind weitgehend in ihr Privatleben eingedrungen. Selbst wenn man kein Fett ißt, kann der Körper die meisten dieser Säuren aus Zucker aufbauen, drei davon allerdings nicht. Die erste, Linolsäure, ist unbedingt lebenswichtig. Die zweite Fettsäure, die man Arachidonsäure nennt, kann Linolsäure recht gut ersetzen; die dritte, die Linolensäure, vermag zwar an die Stelle der anderen zu treten, doch hält sie nur das Wachstum aufrecht, nicht aber die Gesundheit. Diese drei nennt man die »essentiellen Fettsäuren«. Die Körper von Menschen und gut ernährten Tieren enthalten große Mengen Linolsäure. Wenn Tiere auf linolsäurefreie Nahrung gesetzt werden, läßt sich diese Fettsäure nicht aus den Geweben lösen, selbst wenn der Linolsäurespiegel im Blut extrem sinkt und die Mangelerscheinung zum Tode führt. Man kann keine Zementsäcke aus einem Lagerhaus tragen, wenn man den Zement zum Bau des Gebäudes benutzt hat. Es ist offensichtlich so, daß wir entweder Linolsäure oder einen ihrer Stellvertreter brauchen, um Sexual- und Nebennierenhormone, wertvolle Darmbakterien und die fetthaltigen Strukturanteile jeder Zelle bilden und erhalten zu können.

Die besten Quellen für essentielle Fettsäuren sind die natürlichen Pflanzenöle. Mais-, Sojabohnen- und Baumwollsamenöl enthalten 35 bis 70 Prozent Linolsäure, Färberdistelöl sogar 85 bis 90 Prozent. Margarine, hydrierte Kochfette, tierische Fette wie Sahne und Butter, Fischlebertran, fettes Fleisch und das Fett des Eidotters liefern sehr wenig. Natürliches Schmalz enthält 5 bis 11 Prozent und ist die beste tierische Quelle. Da so viele Pflanzenöle »hydriert« sind und tierische Fette wenig ungesättigte Fettsäuren enthalten, sind die einzigen zuverlässigen Quellen für diese Gruppe der Fettsäuren Salatöl und Mayonnaise, Nüsse und nicht hydrierte Nußbutter. Avocado-Birnen, Mandeln und Olivenöl enthalten wenig Linolsäure, Kokosnuß und Palmöl gar keine.

Bei Fettsäuren spricht man oft von »Ketten« und meint damit ihre chemische Struktur. Manche Ketten sind lang, andere kurz. So, wie ein Bettelarmband verschiedene Glieder hat, woran man Anhänger befestigen kann, so weisen auch die Fettsäureketten bestimmte Glieder auf, an die sich andere chemische Substanzen anhängen können. Wenn sich Sauerstoff anhängt, wird Fett ranzig, bei Zufügung von Wasserstoff fest (»hydrieren«). Der Körper braucht diese offenen, unausgefüllten Glieder oder »ungesättigten« Fettsäuren, die sich mit anderen Nährstoffen verbinden können, bei deren Transport mithelfen und auch zusammen mit jenen zum Aufbau der Zellstruktur benutzt werden.

Wenn Sie mehr Zucker oder Stärke essen, als Ihr Körper im Augenblick braucht, wird der Überschuß in Fett umgewandelt, das nur aus Ketten von »gesättigten« Fettsäuren besteht. Man kann also nichts weiter hinzufügen. Diese Ketten bilden ein kompaktes Fett, wofür diejenigen, die leicht an Gewicht zunehmen, sich von Herzen bedanken. Doch der Körper kann, wie wir gesehen haben, die für die Gesundheit unentbehrlichen Fettsäuren nicht selbst produzieren. Zwar kann Zucker zu Fett umgebaut, Fett jedoch nicht wieder in Zucker zurückverwandelt werden.

Nach Dr. George 0. Burr, dem früheren Direktor des Instituts für Physiologische Chemie an der Universität von Minnesota, trinken Ratten, in deren Nahrung die essentiellen Fettsäuren fehlen, riesige Mengen Wasser, das dann in ihrem Körper festgehalten wird. Bald fängt das Haar dieser Tiere an, sehr trocken und dünn zu werden. Die Haut wird dick, trocken, schuppig und rauh, besonders im. Gesichtsbereich. Bei den Weibchen sind die Eierstöcke geschädigt, so daß Ovulation, Fortpflanzung und Milchproduktion nicht mehr möglich sind. Die Männchen werden steril und zeigen keine Paarungsbereitschaft. Die Tiere bekommen Ekzeme. Wenn Jungtiere diese Mangelkost erhalten, bleibt das Wachstum sichtbar zurück. Der Mangel führt bald zum Tode, und bei der Autopsie findet man bei 100 Prozent der Tiere zerstörte Nieren.

Der entsprechende Zustand beim Menschen ist bis jetzt kaum untersucht worden. Dr. Burr und ein Mitarbeiter erzeugten jedoch bei sich selbst durch eine Kost, in der die essentiellen Fettsäuren fehlten, Ekzeme. Zahlreiche Ärzte haben über Ekzeme als Nebenwirkung fettarmer Diät berichtet; die Hautveränderungen heilten, wenn Pflanzenöle verabreicht wurden. Es hat sich ferner gezeigt, daß bei Ekzemkranken der Gehalt an essentiellen Fettsäuren im Blut abnormal gering ist. Meiner Ansicht nach ist der Mangel an essentiellen Fettsäuren häufiger, als man bisher annahm. Kleine Kinder zum Beispiel erhalten selten Pflanzenöl, bevor sie alt genug sind, um Mayonnaise essen zu können. Ich erinnere mich an einen heute dreijährigen Jungen, den ich zum erstenmal sah, als er 18 Monate alt war. Sein Vater war ein bekannter Footballspieler gewesen und wünschte sich nichts sehnlicher als einen kräftigen und sportlichen Sohn. Doch das bedauernswerte Kind war kleiner als die meisten Einjährigen und litt seit der dritten Woche nach seiner Geburt an einem schweren Ekzem, das den ganzen Körper befallen hatte. Das Kind war teilnahmslos und schien geistig zurückgeblieben. Man hatte eine »Allergie« festgestellt und Tausende von Dollar ausgegeben, um Heilung zu finden. Nachdem ich einige Minuten mit der Mutter gesprochen hatte, setzte ich den Jungen auf einen hohen Stuhl und bot ihm einen Löffel Sojaöl an. Nach dem ersten Schluck wurde das Kind lebendig, als ob es elektrisiert wäre. Es beugte sich mit weit geöffnetem Mund über den Tisch, und wenn ich nur eine kleine Pause machte, verlangte es mit Geschrei nach mehr. Ich hatte ihm etwa sechs oder acht Eßlöffel Öl gegeben, als seine Mutter mich bat, aufzuhören, da sie Angst hatte, daß ihr Kind krank werden könnte. Ich gab ihr den Rat, ihm jede Stunde ein Paar Eßlöffel davon zu geben, wenn es das Öl verlangte und gut vertrüge. Innerhalb von drei Tagen war das Ekzem fast gänzlich verschwunden, und nach einer Woche hatte das Kind eine schöne Haut. Danach blühte es auf. Das Knochenwachstum war exzellent, es bekam Muskeln und hat jetzt normale Größe und Gewicht erreicht. Wenn es einen Menschen auf dieser Welt gibt, der alles für mich tun würde, dann wahrscheinlich der Vater dieses Jungen. Ich habe den starken Verdacht, daß die Ursache für diese bald nach der Geburt auftretenden Ekzeme in der Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft zu suchen ist. Wahrscheinlich hat sie zu wenig Fett gegessen, und daher wurde der Bedarf an Linolsäure nicht gedeckt.

Linolsäure kann also Ekzeme, die auf den Mangel an einem der verschiedenen B-Vitamine zurückgehen, verhüten oder heilen, möglicherweise deswegen, weil diese Fettsäure das Wachstum der Darmbakterien, die diese Vitamine erzeugen, anregt. Sogar der hartnäckige, ekzemähnliche Ausschlag, den man Psoriasis nennt, verschwindet bald, wenn man der Nahrung Salatöl und Lecithin beifügt.

Nach den Fällen, die ich selbst gesehen habe, glaube ich, daß der Mangel an essentiellen Fettsäuren weit verbreitet ist. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die nach einer sonst ausreichenden, aber fettfreien Ernährung Krankheitsmerkmale aufwiesen, wie wir sie bei linolsäurefrei ernährten Tieren finden. Jahrelang habe ich mich über Leute mit Übergewicht gewundert, deren Knöchel, Unterschenkel und sogar Oberschenkel durch Ödeme aufgetrieben waren. Obwohl ihre Nahrung genügend hochwertiges Eiweiß enthielt, reichten zwei Eßlöffel Salatöl zur täglichen Nahrung aus, um die überflüssigen Pfunde verschwinden zu lassen.

Menschen, die sich mit Ausnahme von Öl ausreichend und vollwertig ernährt hatten, sagten mir, daß ihre sexuelle Potenz zugenommen habe, nachdem sie ihrer Nahrung Öl zugeführt hätten. Menstruationsschwierigkeiten verschwanden, und es kam zu lange gewünschter oder auch unerwünschter Empfängnis. Erst kürzlich wurde ein Mannequin, das sich schon jahrelang ein Baby gewünscht hatte, kurz nachdem der Nahrung Öl beigefügt worden war, schwanger. Öl hatte sie ängstlich verschmäht, da ihre Figur für die Arbeit wichtig war. Immer und immer wieder habe ich gesehen, daß trockenes und lebloses Haar einen warmen Glanz bekam und rauhe, trockene und schuppige Haut zart wurde, nachdem der Nahrung als einziger wichtiger Zusatz Salatöl beigefügt worden war. Wenn ein Tierfreund schöne Tiere haben will, sollte er nicht vergessen, Hunden, Katzen und anderen Haustieren Salatöl zu geben.

Quelle: Adelle Davis: „Jeder kann gesund sein“, Originaltitel: „Let’s eat right to keep fit“ (1970)

Im nächsten Brief lesen Sie die Fortsetzung - es bleibt spannend, das kann ich Ihnen schon heute verraten. Dort beantwortet Adelle Davis die Frage, warum fettarmes Essen zu Übergewicht führt. Hört sich spannend an, nicht wahr?