Adelle Davis: Die Ernährung kann ein fesselndes Thema sein

Adelle Davis: Die Ernährung kann ein fesselndes Thema sein

Vor vielen Jahren - genauer: in den 70er Jahren - gab es in Deutschland ein Buch zur Ernährung, welches sich damals in weiten Kreisen als "Klassiker" entwickelt hat: Adelle Davis: Jeder kann gesund sein. Das Buch ist immer noch aktuell und enthält viele wertvolle Tipps. Für mich uns meine Frau war dieses Buch wie ein Einstieg in das Thema Ernährung und hat dazu geführt, dass wir uns danach weiter mit dem Thema "Ernährung und Gesundheit" beschäftigt haben. Leider ist es kaum noch zu bekommen.

Ich möchte Ihnen heute die Einleitung zu diesem Buch als Gesundheitsbrief zur Kenntnis geben. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, das komplette Buch irgendwo zu beschaffen. Es hat die ISBN-Nummer ISBN 3-8738--432-X. Ich werde in den nächsten Wochen immer mal wieder den einen oder anderen Text aus diesem Buch für Sie aufbereiten und als Gesundheitsbrief veröffentlichen oder im Downloadbereich unserer Seiten zur Verfügung stellen.

Kapitel 1: Die Ernährung kann ein fesselndes Thema sein

Ernährung ist eine persönliche Sache, genauso persönlich wie Ihr Tagebuch oder Ihre Steuererklärung. Ihre Ernährung kann bestimmen, wie Sie aussehen, sich benehmen und wie Sie sich fühlen: ob Sie schlechter Laune oder fröhlich sind, unschön oder attraktiv aussehen, sich körperlich oder sogar seelisch jung oder alt fühlen, klar oder verwirrt denken, mit Freude arbeiten oder Ihre Arbeit als Plackerei empfinden, ob die Energie, mit der Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen, größer wird, oder ob Sie immer auf derselben Stufe Ihrer Karriere stehen bleiben.

Die Nahrung, die Sie zu sich nehmen, kann ausschlaggebend sein für einen Tag, den Sie frisch beenden und nach welchem Sie vielleicht noch einen angenehmen Abend erleben, oder einem solchen, an dem die Erschöpfung Sie zwingt, mit den Hühnern zu Bett zu gehen. Die Ernährung kann bis zu einem beträchtlichem Grade Ihre Persönlichkeit beeinflussen: Ob Sie sich nämlich als Schwächling fühlen oder wie ein menschlicher Dynamo agieren.

Kurz gesagt: Sie kann Ihre Lebensfreude bestimmen, die Kraft, die Sie investieren und auch die Erfiillung, die Sie gewinnen. Ernährungslehre ist die Wissenschaft, die davon handelt, wie Ihre Nahrung die Lebensuhr in Gang hält. Sehr oft verwechselt man sie mit der Diätetik, der Lehre vom Essen, die untersucht, was gegessen werden soll.

Ernährungslehre kann deshalb so fesselnd sein, weil sie Sie selbst angeht.

Wenn nun dieses Wissen so persönlich und auch so fesselnd ist, weshalb wendet es nicht jeder an?

Dafür gibt es viele Gründe. Die Ernährungslehre ist eine junge Wissenschaft; man hat sie umhergestoßen wie einen kleinen Hund, der sich noch nicht selbst helfen kann. Ernährungsfanatiker und Aufschneider aller Art sind recht gewalttätig damit umgegangen.

Meistens haben diese Leute keine wissenschaftliche Ausbildung. Sie verbreiten sehr viele falsche Informationen, stellen ungerechtfertigte Behauptungen auf und sind oft nur auf Gewinn aus. Sie machen mit ihren lächerlichen Empfehlungen nicht nur die Menschen kopfscheu, sie sind auch Schuld daran, wenn viele denkende Menschen der ganzen Sache skeptisch gegenüberstehen. Oft sind die Anhänger dieser Ernährungsfanatiker übereifrige Leute. Ein Freund von mir sagte, daß diese Menschen »entweder Ernährung oder Religion wollen«.

Sie erfinden die sonderbarsten Sachen als Nahrungsmittel. Ich kann davon ein Lied singen: Auf geradezu sadistische Weise hat man mich mit dieser Art »Nahrung« gefüttert. Ich habe flüssiges Gras gegessen, das so schmeckt, wie ein frischgefüllter Heuschober riecht. Der Geruch ging noch an, der Geschmack aber ganz und gar nicht. Diese Leute scheinen zu glauben, daß eine Ernährung nur gesund ist, wenn sie abscheulich schmeckt. Doch je länger ich mich mit Ernährungslehre beschäftige, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß jede Nahrung dem gesunden Menschen köstlich schmecken soll. Es hat gar keinen Sinn, etwas zu essen, das Sie gar nicht mögen. Doch wäre es gut, sich darüber im klaren zu sein, daß so manches gesundheitsfördernde Essen ausgezeichnet schmeckt. Noch vernünftiger ist es, zu lernen, Essen, das die Nährstoffe enthält, die Ihr Körper für seine Funktionen braucht, mit Freude zu genießen. Das kann man mit Hilfe der »Knabbermethode«, wie ich sie genannt habe, erreichen. Jedem, der gerne Kaffee oder Whisky trinkt, hat der erste Schluck wahrscheinlich gar nicht geschmeckt. Nehmen wir an, Sie haben irgendeinen Ernährungsschaden und glauben, eine bessere Ernährung könnte Ihnen vielleicht helfen. Bietet man Ihnen jetzt einen unappetitlichen Brei an, der so abscheulich schmeckt, daß Sie gleich Ihr Interesse daran verlieren und wieder wie gewohnt essen, werden Sie schließlich von Ihrer fehlerhaften Ernährung so krank, daß man um Ihr Leben fürchten muß. Wer hat Sie fast umgebracht? Meiner Meinung nach derjenige, der Ihnen das ungenießbare Essen gab. Hätte er Ihnen statt dessen jedoch etwas Wohlschmeckendes zu essen gegeben, dann hätten Sie auch gesünder gegessen und sich vielleicht wieder besser gefühlt. Meiner Meinung nach sollten Sie Ihre Speisen nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten auswählen: Sie sollten gut schmecken und Ihrer Gesundheit dienen.

Ein anderer Grund, weshalb die Ernährungswissenschaft nicht richtig angewandt wird, rührt daher, daß unser Wissen über die Nahrungsmittel durch Firmenreklame geprägt wird.

Geschäftliche Interessen wollen, daß wir bestimmte Lebensmittel kaufen. Hochraffinierte Lebensmittel halten sich länger als naturbelassene, sie sind leichter aufzubewahren und zu verwenden. Sie können nicht verderben, da sich in ihnen Bakterien, Pilze, Schimmel und Würmer nicht am Leben halten können. Nur kann eine solche Nahrung auch die menschliche Gesundheit nicht aufbauen. Während um die wenigen Nährstoffe, die in solcher Nahrung noch zurückgeblieben sind, viel Aufhebens gemacht wird, bleibt das Entfernen anderer Nährstoffe im Laufe des Raffinierens strengstens geheim; die stillschweigende Folgerung ist, daß eine solche Ernährung einen bedeutenden Nährwert habe. Weshalb also sollte man eine Ernährung, die schon ausgezeichnet ist, verbessern? Ein weiterer Grund für das allgemeine Mißtrauen gegenüber der Ernährungslehre besteht in der weit verbreiteten Ansicht, es handle sich um eine Philosophie des »Du sollst nicht«. Ich hielt einmal einen Vortrag bei einem bekannten Gesundheitsverein. Bevor man mich vorgestellt hatte, sprach der Vorsitzende mit einer Wut, die mich erstaunte, vom »Gift des weißen Zuckers, welches die Menschen tötet«. Wahrscheinlich hatte jeder im Publikum »giftigen weißen Zucker« gegessen, und doch schienen die meisten noch am Leben zu sein. Wäre dies meine Einführung in die Ernährungslehre gewesen, so wäre mir wahrscheinlich immer, wenn das Thema genannt wurde, übel geworden. Es ist sinnvoller, zu erklären, daß einige Nahrungsmittel wertvoller sind als andere.

Noch ein Grund für die Geringschätzung der Ernährungslehre ist die Leichtgläubigkeit der Menschen.

Wir leben in einer Kultur, in der Kopfweh durch Tabletten »geheilt« wird. Ebenso rückt man einem Geschwür oder anderen krankhaften Veränderungen mit Vitaminpillen zu Leibe. Millionen von Menschen nehmen Kapseln, die »alles« enthalten. Sie glauben, daß diese Präparate die Gesundheit erhalten könnten. Solch eine Kapsel könnte man allerdings herstellen, doch würde sie so groß wie ein Tennisball werden. Warum versucht man es nicht? Eine Boa constrictor kann schließlich ein ganzes Schwein verschlingen!

Ein weiterer Grund für die Nichtanwendung der Ernährungslehre besteht darin, daß man über sie keine genaue Auskunft erhält. Die Leute sagen mir zum Beispiel oft: »Ich esse eine Diät mit viel Protein«. Wenn ich die Diät dieser Leute überprüfe, stellt sich meistens heraus, daß die Proteineinnahme vielleicht ein Drittel der Menge ausmacht, die der Nationale Forschungsrat empfiehlt. Nur auf Grund eingebildeten Wissens kann man seine Ernährung nicht verbessern. Scheinwissen und irreführende Informationen dieser Art gibt es in unübersehbaren Mengen.

Ein ernsthafter Grund für die Diskreditierung der Ernährungslehre – ziemlich besorgniserregend für mich – liegt darin, daß Frauen sich eher für Ernährungslehre interessieren als Männer. Wenn ein Mann an einem Ernährungsschaden leidet, versucht die Frau, die ihn wirklich liebt, Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, damit er seine Eßgewohnheiten ändert. Jeder Mann, der nicht ein großer Schwächling ist, sträubt sich gegen derartige Manöver. Manchmal geschieht aber auch das Gegenteil. Ein Mann, der ernsthaft bemüht ist, Arzt- und Zahnarztrechnungen, aber auch Probleme wie Müdigkeit und Reizbarkeit los zu werden, scheint bloß die Auswahl und die Zubereitung der Gerichte zu kritisieren, die seine Frau auf den Tisch bringt. Diese scheinbare Kritik macht sie natürlich böse. In beiden Fällen wird bald der tote Punkt erreicht.

Wenn mir eine gute Fee in bezug auf dieses Buch einen Wunsch erfüllen würde, so den, daß Familien dieses Buch laut miteinander lesen und dabei ab und zu eine Pause einlegen, um ihre Probleme zu besprechen. Falls Sie mein Buch als einziges Mitglied Ihrer Familie lesen, würde ich Ihnen raten, die Ernährungslehre so gut wie möglich anzuwenden. Tun Sie es aber möglichst unauffällig! Wenn das gute Erfolge bringt, dann wird Ihr Partner es ganz bestimmt bemerken, und will das, was Sie erreicht haben, auch erreichen.

Vielleicht wird die Ernährungslehre hauptsächlich deshalb nicht angewandt, weil das Essen so eng mit dem Gefühlsleben verwoben ist.

Für viele Leute bedeutet es Freude, Schmerz, Belohnung, Strafe usw. Der Mensch, der in seiner Jugend unter Armut gelitten hat, bekam zwar damals vielleicht eine nahrhafte Kost zu essen, muß aber jetzt bei dieser Art von Kost noch immer an frühere Entbehrungen zurückdenken. Eine Kost, die, obwohl weniger nahrhaft, von reichen Leuten gegessen wird, ist Statussymbol. Weißes Brot und weißer Zucker stehen für Reinheit und Sauberkeit, genauso wie einst der weiße Operationssaal. Für viele Leute bedeutet Orangensaft das gleiche wie Rizinusöl.

Ein Psychiater erzählte mir, daß viele Leute, die glauben, Milch zu verabscheuen, in Wirklichkeit Ihre Mutter hassen, die sie zwang, Milch zu trinken. Schuldgefühle lassen den direkten Haß gegen die Mutter nicht zu. Wir alle haben emotionelle Gründe, gewisse Nähr-. stoffe anderen vorzuziehen. Mein Vater zum Beispiel hatte die feste Überzeugung, daß man seinen Teller leer essen muß. Einmal befahl er mir, fettes Fleisch aufzuessen, was bei mir Übelkeit verursachte. Noch heute mag ich kein fettes Fleisch. Früher mochte ich kein Hirn essen, da wir es, wenn wir geschlachtet hatten, immer fortwarfen, genauso wie die Eingeweide; für mich waren Hirn und Eingeweide das Gleiche. In der Theorie glaube ich daran, daß man lernen kann, gesunde Nahrung zu genießen. Um die Theorie in die Praxis umzusetzen habe ich einmal in einem französischen Restaurant Schnekken gegessen und fühlte mich stundenlang danach noch elend; die Schnecken machten mich nicht krank, jedoch bewirkte mein Widerwille dagegen, daß es mir heute noch davor graut. Wir alle haben angenehme oder unangenehme Assoziationen in bezug auf bestimmte Speisen, die wir gar nicht ändern wollen. Selbst wenn wir es versuchen würden, wäre dies unmöglich.

Oft glaubt man, eine »richtige« Ernährung bedeute, Speisen, die man schätzt, aufzugeben, und dafür essen zu müssen, was man nicht mag.

Wieder ein anderes Hindernis bei Anwendung der Ernährungslehre besteht darin, daß wir uns bezüglich unserer Gesundheitsführung in gewisser Hinsicht zu sehr auf unsere Ärzte verlassen. Wenn der Arzt Ihre Ernährung nicht geändert hat, erscheint es logisch, anzunehmen, daß die Ernährung unwichtig sei. Wir vergessen oft, daß das Medizinstudium ein Studium der Medizin ist. Vom ersten Tag des Studiums an und in all den Jahren der medizinischen Praxis steht dieses Prinzip obenan: Medizin ist die Lehre von der Krankheit, nicht die Lehre von der Gesundheit. Viele Ärzte leisten hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Ernährungslehre; ihre Zahl wächst jährlich. Doch das Ziel der Medizin ist gleichwohl, den kranken Menschen zu helfen wieder gesund zu werden, oder im Falle einer schweren Krankheit, ihn am Leben zu erhalten. Das Ziel der Ernährungslehre aber ist, die Gesundheit zu bewahren und Krankheit zu verhüten. Heute gibt es in Amerika keine medizinische Fakultät, an der eine Vorlesung oder ein Kurs über Ernährungslehre gehalten wird, wenn auch, auf verschiedene Fächer verteilt, dieses oder jenes zur Sprache kommt. Das wenige, was man über Ernährungslehre lernt, ist meistens auf die Erkennung und Behandlung der sogenannten »Mangelkrankheiten«, zum Beispiel den nur noch seltenen Skorbut, begrenzt. Die tragische Folge davon ist, daß die Ernährungslehre in erschreckender Weise unterschätzt wird. So wird der Patient unrichtig und unvollkommen informiert, bestehen viele unnötige Leiden weiter, und man erwartet von Medikamenten, was bereits gute Ernährung zustande bringen könnte. Die Ärzte sind oft bis zur Erschöpfung überarbeitet und müssen doch ständig über die neuesten Entwicklungen von Antibiotica, Hornionen, neuen Operationstechniken, der Behandlung neuer Krankheiten und neuen Behandlungen alter Krankheiten im Bilde sein. Ich habe während vieler Jahrzehnte mit Ärzten zusammengearbeitet. Sie sind meist wunderbare Menschen; besseren muß ich noch begegnen.

Kritik, die sich in der Frage ausdrückt: »Warum hat mein Arzt mir nicht gesagt, daß die Ernährung wichtig ist?«, erscheint mir daher unfair. Das ist so, als ob man von mir eine heikle Gehirnoperation erwarten würde. Sie selbst finden vielleicht Zeit, Ernährungslehre zu studieren, der vielbeschäftigte Arzt jedoch nicht.

Der letzte Grund für die mangelnde Anwendung der Ernährungslehre

Der letzte Grund für die mangelnde Anwendung der Ernährungslehre dürfte aber darin bestehen, daß sich auf diesem Gebiet eine gewaltige Zeitlücke von etwa 20 bis 30 Jahren zwischen theoretischer und klinischer Forschung ergeben hat. In hunderten von Laboratorien auf der ganzen Welt ernähren Wissenschaftler Versuchtstiere mit Futter, dem dieser oder jener Nährstoff fehlt, und studieren dann die Wirkung auf die Gesundheit der Tiere. Diese Wissenschaftler untersuchen jedoch keine Menschen, um Parallelen für die Erscheinungen zu finden, welche sie bei den Tieren erzeugt hatten. Ihre Ergebnisse werden nur in Hunderten von teuren wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, die der übermüdete Arzt selten lesen kann. Wenn er sie jedoch lesen könnte, dann würde er gleich die Symptome erkennen, die ihm täglich von seinen Patienten beschrieben werden.

Jedenfalls weiß man, daß dieses aus Tierexperimenten gewonnene Wissen weitgehend auf menschliche Verhältnisse übertragbar ist. So gut also Ihre Gesundheit auch sein mag, eine gründliche Kenntnis der Ernährungslehre und deren Anwendung kann doch weitere beträchtliche Fortschritte bewirken. Eine solche Anwendung gibt Ihnen die Sicherheit, daß Sie sich vorzüglich fühlen, tadellos aussehen und Ihr Bestes leisten können. Und es berechtigt Sie zu der Hoffnung, ein langes, aktives und lohnendes Leben führen zu können. Lernen wir also, gesund zu bleiben!

Quelle: Adelle Davis: „Jeder kann gesund sein“, Originaltitel: „Let’s eat right to keep fit“ (1970)