Ich habe Ihnen heute ein paar Informationen zum Thema "Placebo" zusammengestellt. Es gibt einige verblüffende Erkenntnisse dazu:
Das Experiment verlief irritierend: Patienten aus Gruppe A erhielten nach einer Operation ein Placebo, also ein Scheinmedikament, in Form von Kochsalzlösung gespritzt, damit ihre Schmerzen nachließen. Patienten der Gruppe B bekamen mittels einer Infusion bis zu acht Milligramm Morphin, allerdings ohne den genauen Zeitpunkt zu kennen. Bei beiden Gruppen wirkten die verabreichten Mittel gleich stark. „Wenn Sie also einem Patienten sagen“, fasst Professor Fabrizio Benedetti von der Universität Turin das Ergebnis zusammen, „dass ihm ein Schmerzmittel injiziert wird, obwohl das gar nicht stimmt, ist das genauso wirksam, wie wenn Sie sechs bis acht Milligramm Morphin geben, ohne dass der Betreffende das weiß.“
Erst ab einer verdeckt verabreichten Morphindosis von zwölf Milligramm übertraf der schmerzstillende Effekt des Arzneimittels den des Scheinmedikaments. So konnten die Wissenschaftler nicht nur nachweisen, dass auch ein Mittel ohne Wirkstoff wirkt, sondern dass ein richtiges Medikament bis zu einem gewissen Grad ebenfalls Placebo-Effekte besitzt und sein volles Potenzial erst dann entfaltet, wenn etwa die Erwartung des Patienten und die Anwesenheit eines Therapeuten hinzukommen.
US-Forscher fanden heraus, warum eine völlig wirkstoff-freie Salbe eine schmerzlindernde Wirkung entfalten kann.
Mit ihren Experimenten kamen die Wissenschaftler dem Geheimnis von Placebos ein Stück weit auf die Spur: Die nur scheinbar wirksamen Medikamente dämpfen offenbar die Aktivität ganz bestimmter Hirnregionen. Das berichten die US-Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“. Was sich im Gehirn genau abspielt, wenn Placebos ins Spiel kommen, konnten die Wissenschaftler mit Hilfe von Kernspintomographen sichtbar machen.
Die Forscher verpassten ihren Probanden unterschiedlich starke Stromschläge und setzten sie Hitzereizen aus. Dann erklärten sie den Testpersonen, dass ihnen eine schmerzstillende Creme helfen werde, die äußeren Schmerzreize besser zu ertragen. In Wirklichkeit enthielt die verwendete Creme aber gar keinen Wirkstoff. Dennoch reichte schon allein die Information aus: Die Probanden berichteten von einer deutlichen Linderung. Der Kernspintomograph zeigte, dass sie tatsächlich anders auf die Schmerzen reagierten. Unter dem Einfluss der Creme war die Hirnregion, die für Schmerzen verantwortlich ist, weniger aktiv als ohne Placebo-Medikament.
Die Forscher konnten außerdem feststellen, dass unter Einfluss des Placebos andere Hirnregionen sehr aktiv waren: Nervenzellen, die den Körper auf drohende Schmerzen hinweisen, waren in einer Art Dauerbereitschaft – ein Zeichen dafür, dass das Gehirn durchaus über die Schmerzreize informiert war. Möglicherweise veranlassen genau diese Schmerzwarner, dass körpereigene Substanzen ausgeschüttet werden, die beruhigend auf das Schmerzzentrum wirken. „Die Schmerzerwartung spielt eine wesentliche Rolle in diesen Untersuchungen“, erklärte Steve Cohen, Psychologe am Institut für Psychiatrie gegenüber BBC-Online. „Wenn der Proband damit rechnet, dass er ein Schmerzmittel erhalten wird, hat er weniger Angst vor dem Schmerz“, so der Experte, der aber zu Bedenken gibt, dass nicht jeder auf die Placebos gleich reagiert.
Neueste Erkenntnisse bestätigen: Scheinmedikamente wirken umso besser, je mehr wir an sie glauben.
„Diese Tablette wird die Schmerzen im Ihrem Arm lindern“, sagt der Arzt, und er behält Recht: Der Patient verspürt nach kurzer Zeit eine deutliche Besserung seiner Beschwerden. Dass die Tablette keinerlei medizinische Wirkstoffe enthält, spielt dabei keine Rolle, solange der Patient davon nichts weiß. „Dieser Placeboeffekt entlarvt Patienten jedoch keineswegs als Simulanten: Die Hirnforschung der letzten Jahre hat hochinteressante neue Erkenntnisse über physiologische und biochemische Abläufe beim Placeboeffekt gebracht, die es uns erlauben ihn gezielt zu nutzen“, so Dipl.-Psych. Dr. Claus Derra bei einer interdisziplinären Schmerzkonferenz, die die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V. (DGSS) und das Schmerzforum Rhein-Main e.V. gemeinsam in Frankfurt veranstalteten. So lassen sich die Auswirkungen eines Placebos gegen Schmerz z. B. im Endorphinsystem des Gehirns beobachten.
Placeboeffekte, die unterschiedlich stark bei jeder therapeutischen Handlung auftreten, sind bei der Schmerzbehandlung besonders ausgeprägt: Vertraut der Patient dem Arzt und ist davon überzeugt, dass ein Medikament oder eine Spritze wirksam sein wird, können seine Schmerzen schneller und effektiver vermindert werden. Da der Placeboeffekt jedoch im wesentlichen durch die Erwartung entsteht, die ein Patient mit einer ärztlichen Handlung verbindet, ist er schwer messbar und oft erst im Nachhinein beurteilbar.
Die Anwendung solcher Effekte ist daher mit einer Reihe von Fehleinschätzungen und Vorurteilen behaftet. „Eine weitgehend auf solchen Vorurteilen beruhende Unsitte ist es, dass Placebos z.B. immer wieder eingesetzt wurden, um eine Schmerzsymptomatik als psychisch bedingt zu diagnostizieren: Wirkt das Placebo schmerzlindernd, wird die Symptomatik fälschlicherweise als zumindest wesentlich psychisch mitbedingt 'entlarvt', der Patient nicht selten sogar als Simulant angesehen“ so Dr. Derra.
Die Hirnforschung brachte neue Erkenntnisse über physiologische und biochemische Abläufe und deren Zusammenhang mit Stimmungen und Denkmustern, sodass man nun gute Vorstellungen über Wirkaspekte von Placeboeffekten und ihre Ursachen hat.
Grundvoraussetzung für einen Placeboeffekt ist, dass beim Patienten bewusst die Erwartung einer Schmerzlinderung entsteht. Die weitere zentrale Verarbeitung unseres Denkens und Fühlens können die Forscher heute eindeutig bestimmten Hirnarealen zuordnen, die auch bei Stress- und Schmerzverarbeitung eine wesentliche Rolle spielen. Hier erklärt sich einerseits, warum Ablenkung, Erwartungen, Suggestion, Stressfaktoren oder Entspannung schmerzlindernd oder -verstärkend wirken. Andererseits finden sich in diesen Zentren unter anderem Verbindungen zum körpereigenen Opiatsystem, dem Endorphinsystem: Seelische Verarbeitung wird hier in biochemische Wirkungen umgesetzt. Da sich die schmerzlindernde Wirkung von Placebos durch den Opiatgegenspieler Naloxon blockieren lässt, muss ein wesentlicher Wirkmechanismus von Placeboeffekten bei Schmerz über das Endorphinsystem erfolgen.
Vergleichsuntersuchungen haben gezeigt, dass Placeboeffekte in verschiedenen Situationen über unterschiedliche Nervenzentren vermittelt werden: In einer aktuellen Studie löste eine grüne Traubenzuckertablette mit der Bemerkung „dies wird ihre Schmerzen im Arm lindern“ eine entsprechende Wirkung über das Endorphinsystem im Gehirn aus. Die gleiche Tablette bewirkte bei einem Parkinsonpatienten mit dem Hinweis „dies wird die Beweglichkeit Ihres Armes verbessern“ eine deutliche Besserung seiner, ganz anders gelagerten, Parkinsonsymptomatik. Diesmal wirkte die Instruktion auf das Dopaminsystem.
Das Ausmaß der Schmerzlinderung wird durch verschiedene Faktoren bestimmt: Größere Pillen wirken besser als kleinere, Kapseln besser als Tabletten, noch besser wiederum wirken Pflaster und Spritzen. Blaue Präparate wirken beruhigend, gelbe stimulierend, weißgrüne besonders schmerzlindernd, Medikamente mit spürbaren Nebenwirkungen haben auch eine höhere Wirksamkeit. Besonders starke Placeboeffekte lassen sich mit technischen oder invasiven Maßnahmen erzielen, wie bei der Akupunktur. Sogar Operationen sind als Placebo sehr effektiv wie eine schwedische Studie an mehreren tausend Bandscheibenoperierten nachwies. Persönlichkeitsfaktoren des Patienten spielen zwar auch eine Rolle – z.B. sprechen ängstliche Menschen besonders gut an. „Sie wurden jedoch bisher grundsätzlich überschätzt: Es gibt keine 'placeboanfällige' Persönlichkeit!“, betont Dr. Derra. Wichtigster Faktor für die Placebowirkung ist der Behandler: Ein empathischer, optimistischer Arzt, der eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung herstellen kann, von seiner Behandlungsstrategie überzeugt ist und gute Aufklärung leistet, kann nicht nur beim Patienten subjektiv, sondern auch objektivierbar erstaunliche Effekte erziele, wie die Reduzierung des Analgetikabedarfes oder eine Verkürzung von Krankenhausaufenthalten. Interessanterweise haben Ärzte eine deutlich höhere Placebowirkung als das Pflegepersonal.
Die hohe Placeborate bei Schmerz von teilweise über 50 Prozent der Wirkung bezieht sich auf alle Schmerzursachen, vom psychogenen bis zum Tumorschmerz. Es muss allerdings eine gewisse zentrale Verarbeitung des Schmerzerlebens stattgefunden haben. Plötzliche Schmerzen wie etwa Clusterkopfschmerz haben deutlich geringere Placeboresponse. „In Anbetracht des heutigen Wissensstandes wären Schmerztherapeuten gut beraten, Placeboeffekte intensiver und gezielter zur Behandlung besonders bei chronischen Schmerzen zu nutzen“, so Dr. Derra. Die Möglichkeit, medizinische und psychotherapeutische Interventionen durch unspezifische Maßnahmen zu verstärken, könne nicht nur zu höherer Patientenzufriedenheit führen, sondern auch die Arzt-Patient-Beziehung stärken und dadurch in Chronifizierungsprozesse positiv eingreifen. „Der heimliche Einsatz von Placebos anstatt einer spezifisch wirksamen Therapie ist jedoch abzulehnen“, so Dr. Derra: „Die Vertrauensbasis zum Patienten ist die wichtigste Grundlage der Therapie.“