Heilverfahren: Traditionelle Chinesische Medizin

Heute setze ich unsere Serie zur Beschreibung verschiedener Heilverfahren mit einem Überblick über die "Traditionelle Chinesische Medizin" fort.

Die Traditionelle chinesische Medizin (TCM) kann in unserem westlichen Sinn als "Ganzheitsmedizin" verstanden werden. Der Begriff "Körper-Geist-Seele" aus der chinesischen Heilkunde bezeichnet die untrennbare leiblich-seelische Einheit des Menschen.

Ansatz

Die TCM sieht die Organe nicht getrennt von Gefühlen, den Geist nicht getrennt von körperlichen Vorgängen und den Menschen nicht getrennt von seiner Umwelt. Alles steht mit allem in Verbindung und befindet sich in einem ewigen Prozess der Veränderung. Trotzdem - oder eigentlich gerade deshalb - existieren seelische Krankheiten im Sinne der westlichen Psychotherapie in der traditionell chinesischen Auffassung nicht.

Yin und Yang

Die Pole Yin und Yang als Ordnungssystem der chinesischen Philosophie spielen auch in die TCM hinein und gehen auf die Zeit um 2000 v. Chr. zurück. Das Leben ist nach dieser Auffassung wie ein Berghang, bei dem eine Seite im Licht und die andere im Schatten liegt. Yin bedeutet "die Schattenseite", "Yang" steht für die "Sonnenseite des Berges" - der Berg kann als Symbol des Lebens betrachtet werden. Beiden Begriffen wird zugeordnet, was damit assoziiert werden kann. Zum Yin (dem "weiblichen Pol") gehören zum Beispiel Kühle, Feuchtigkeit, Ruhe, Dunkelheit, zum Yang (dem "männlichen Pol") Wärme, Trockenheit, Bewegung, Helligkeit etc. Dabei ist das eine nicht besser als das andere, das eine nicht ohne das andere denkbar. Licht und Schatten gehören zusammen, und im Yin ist immer ein bisschen Yang, im Yang immer ein bisschen Yin enthalten. Das wird auch im Yin-Yang-Symbol, der Monade (ein wellenförmig geteilter Kreis mit dunkler und heller Hälfte, die ineinander fließen) dargestellt.

Yin und Yang sind ein Teil des taoistischen Weltbildes, der Grundlage der chinesischen Heilkunde. Das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang im Menschen und im Leben bedeutet Harmonie und damit Gesundheit. Zuviel Yin (Ruhe) erschöpft die Widerstandskraft, zu viel Yang (Aktivität) erschöpft uns. Der Taoismus sieht das Leben als Strom, der ständig fließt, als ein stetiges Pendeln zwischen den Polen. Das Verharren in einem Pol, die Starre, das Zuviel des einen und Zuwenig des anderen erzeugt demnach Krankheit und Leiden auf allen Ebenen.

Aufgabe der TCM war und ist es, die Harmonie im Menschen wieder herzustellen bzw. zu bewahren.

Yin im Körper "ernährt" die Organe und das Gewebe, beruhigt und kühlt, Yang im Körper regt die Organfunktionen an, aktiviert und erwärmt.

Die fünf Elemente

Neben Yin und Yang dienen in der chinesischen Philosophie, die nicht von der Heilkunde zu trennen ist, die fünf Elemente als Ordnungssystem für alles Bestehende. Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser - auch als die fünf Wandlungsphasen oder Grundmuster des Seins bezeichnet - entstanden als Denksystem 400 v. Chr. Später wurden ihnen auch die Organe (und ihre Funktionskreise), Emotionen, Nahrungsmittel, Geschmacksrichtungen, Jahreszeiten, Farben etc. zugeordnet. Auch hier steht alles mit allem in Wechselwirkung. Die jeweilige Emotion schädigt zum Beispiel das Element, dem sie zugeordnet wird, was wiederum nach Ansicht der TCM Auswirkungen auf die Organe des Elements haben kann. Der Frühling ist die beste Zeit, das Holzelement zu stärken - durch Entgiftung von Leber und Gallenblase, und Umwelteinflüsse (bioklimatische Faktoren) wie etwa Wind und Kälte können krank machen. Besonders anfällig dafür sind wir in den Jahreszeiten, denen sie zugeordnet werden.

Die Zuordnungen zu den Elementen

Holz: Leber, Gallenblase, Augen, Muskeln, Zorn, sauer, Frühling, Wind, Geburt, grün

Feuer: Herz, Dünndarm, Zunge, Gefäße, Freude, bitter, Sommer, Hitze, Wachstum, rot

Erde: Milz (Pankreas), Magen, Mund, Besorgnis, süß, Spätsommer und Übergangszeiten, Feuchtigkeit, Wandlung, gelb

Metall: Lunge, Dickdarm, Nase, Haut und Haare, Traurigkeit, scharf, Herbst, Trockenheit, Rückbildung, weiß

Wasser: Nieren, Blase, Sexualorgane, Ohren, Knochen, Angst, salzig, Winter, Kälte, Tod, schwarz

Lebenskraft: Qi

Das Lebenskraft-Konzept Qi (alte Schreibweise: Chi; sprich: Tschi) ist ebenfalls nicht aus der Traditionellen chinesischen Medizin wegzudenken. Qi durchfließt das gesamte Universum und ist in allem, als Körper-Qi auch im Menschen. Sein ungehinderter Fluss und sein richtiges Ausmaß sind die Voraussetzungen für Gesundheit. Dabei wird unterschieden in "vorgeburtliches Qi", das der Mensch von Geburt an mitbekommt und im Laufe seines Lebens aufbraucht, und "erworbenes Qi", das aus der Nahrung und dem Atem gebildet wird.

Das Qi im Körper hält alle Funktionen aufrecht - von der Herztätigkeit über die Verdauung bis zum Denken und Fühlen, es ist für die Herstellung der notwendigen Körpersubstanzen und ihre Verteilung zuständig, regelt die Körpertemperatur und schützt den Körper vor schädlichen Umwelteinflüssen. Qi-Mangel oder gestautes Qi zum Beispiel können nach Ansicht der TCM Befindlichkeitsstörungen und Krankheiten auslösen.

Behandlung - Die Diagnosemethoden

Bei der Diagnose stützt sich die TCM auf mehrere Methoden, die einander ergänzen: das Befragen, Betrachten, Hören und Riechen, Betasten und die Pulsdiagnose - Methoden, die vor allem auf Sinneswahrnehmungen beruhen. Sie wurden aus der Not geboren, dass der menschliche Körper im antiken China auch vor dem Arzt nicht enthüllt werden durfte. Lediglich die Bereiche, die von der Kleidung nicht bedeckt waren, standen für die Untersuchung zur Verfügung - also bestenfalls neben dem Kopf die Unterarme und Unterschenkel.

Durch eine detaillierte Befragung versuchen TCM-Therapeuten, die Gesundheitsstörung einzuordnen. Zum Fragenkatalog zählen auch die Uhrzeit, zu der die Beschwerden meistens auftreten, ob sie von Schwitzen oder Frieren begleitet werden, sich durch Wärme oder Kälte bessern, welche Geschmacksvorlieben bei der Ernährung vorherrschen, wie stark der Durst ist, wie Stuhl und Urin beschaffen sind, die vorherrschende Stimmungslage, Gewohnheiten, Vorlieben etc.

Betrachtet wird die Gesichtsfarbe ebenso wie die Zunge, ihre Farbe und ihr Belag. Die Kraft der Stimme gibt ebenso Auskunft über den Zustand des erkrankten Menschen wie seine Atmung und der Geruch der Körperausdünstungen. Darüber hinaus können Akupunkturpunkte betastet und ihre Empfindlichkeit festgestellt werden, was Rückschlüsse auf die damit in Verbindung stehenden Organe oder Körperfunktionen zulässt. Und der Puls - seine Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit, sein Fließen oder hartes Klopfen und seine Stärke - geben Aufschluss über den Energiezustand des Menschen.

Die Methoden innerhalb der TCM

Zur Traditionellen chinesische Medizin zählen Methoden wie Akupunktur, Moxibustion (Wärmebehandlung der Akupunkturpunkte), Akupressur und Shiatsu (Massagetechniken), Ernährungstherapie (Ernährung nach den fünf Elementen), Therapie mit Schröpfköpfen, Kräutern und Arzneimitteln tierischen oder mineralischen Ursprungs, sowie die Bewegungstherapie (Qi Gong, Tai Qi) zur Anregung des Energieflusses und der inneren Ausgeglichenheit.

In China wird in der TCM der größte Teil aller Krankheiten mit chinesischen Arzneimitteln behandelt, die teilweise sehr große Wirkung zeigen, aber auch starke Nebenwirkungen haben können. Deshalb sollte die Verordnung unbedingt erfahrenen Therapeuten vorbehalten bleiben. Einige der chinesischen Arzneimittel wirken auf die westlich geprägte Bevölkerung anders bzw. stärker, weil der Organismus der Chinesen durch eine andere Lebensweise geprägt ist. Mit der Westöffnung kommt allerdings auch das westliche Leben und in weiterer Folge eine Flut an "Zivilisationskrankheiten" auf die chinesische Bevölkerung zu.

Im heutigen China wird TCM neben der naturwissenschaftlich orientierten westlichen Medizin gelehrt. Die traditionelle Heilkunst hat in China im Gesamtangebot an medizinischen Einrichtungen einen Anteil von etwa zehn Prozent.

Anwendungsgebiete

Aus ihrem Selbstverständnis heraus wird die TCM für alle Krankheiten angewendet. Heute kommt die TCM - auch in China - meist bei leichteren Beschwerden oder psychosomatischen Störungen zur Anwendung. Da ihre Methoden versuchen, an die Wurzeln der Krankheiten zu gehen, ist der Weg zur Besserung manchmal langwieriger als eine schulmedizinische Behandlung, die vor allem rasch die Symptome zu beseitigen versucht. Bei chronischen Krankheiten und bei schweren Erkrankungen wird die TCM gerne als Ergänzung zur westlichen Schulmedizin eingesetzt. In Europa hat die Akupunktur einen wesentlichen Stellenwert unter anderem in der Schmerzbehandlung erhalten.

Wirkweise und Wirksamkeit

Die Theorien der TCM widersprechen zum Teil naturwissenschaftlichen Sichtweisen. Trotzdem finden sie in Mitteleuropa eine immer größere Verbreitung. Der ganzheitliche Zugang kann vor allem Funktionsstörungen gut erkennen und ist dabei in manchen Fällen westlichen Therapieformen zumindest ebenbürtig, wenn nicht manchmal überlegen. Schwer tut sich die TCM allerdings mit dem Diagnostizieren von krankhaften Organveränderung oder der Krebsdiagnose. Die Qualität der Arzneimischungen ist weitgehend ungesichert. Es fehlen großteils Wirksamkeitsstudien und Erkenntnisse über Nebenwirkungen. Positive Ergebnisse brachten Studien, die die Behandlung von Hauterkrankungen mit chinesischen Arzneimitteln untersuchten. Mehr Belege für die Wirksamkeit sind vor allem für die Akupunktur, speziell als Schmerzbehandlung, vorhanden. Sie wird daher auch immer häufiger als Ergänzung der schulmedizinischen Behandlung eingesetzt.

Risiken und Gefahren

In chinesischen Arzneimitteln sind teilweise auch giftige Pflanzen enthalten, wie etwa der blaue Eisenhut. Wie in der Homöopathie macht auch hier die Dosis das Gift. Unsachgemäß eingesetzt, können Vergiftungserscheinungen nicht ausgeschlossen werden. Außerdem wurden Belastungen mit Schwermetallen und anderen Umweltgiften festgestellt. Bei länger dauernden und schweren Beschwerden sollte auf jeden Fall auch eine schulmedizinsche Diagnose eingeholt werden.

Therapeutensuche

Seriöse Therapeuten sollten einer Fachgesellschaft (Deutschland) angehören, die für eine Qualitätssicherung bei Ausbildung und Behandlung garantiert. In Österreich gibt die Österreichische Gesellschaft für Traditionelle Chinesische Medizin in Wien Auskunft über speziell ausgebildete Mediziner, in Deutschland bietet dies die Patienteninformation für Naturheilkunde in Berlin.

Übrigens finden Sie dieses Heilverfahren - und noch viele mehr - auf den Seiten der Forschungsstiftung für natürliche Gesundheit: www.naturheilkunde-lexikon.eu