Monsanto und Glyphosat: Akten belegen Einfluss auf Umweltbehörde

Ein Gerichtsverfahren bringt die US-Umweltbehörde EPA in Bedrängnis. Es laufen neue Ermittlungen. Auch in Europa gibt es offene Fragen.

Akten belegen Einfluss auf Umweltbehörde

Der Streit um mögliche Risiken des Pflanzenvernichters Glyphosat entwickelt sich in den USA zu einem Politikum. Im Zentrum steht die amerikanische Umweltbehörde EPA, die den Dieselskandal ans Licht gebracht hat. Ein früherer Direktor der Pestizid-Abteilung dort steht im Verdacht, die Risikobewertung von Glyphosat beeinflusst zu haben - und zwar zugunsten des US-Herstellers Monsanto. Dies legen zumindest interne E-Mails aus dem Konzern nahe, die vor kurzem im Zuge eines Gerichtsverfahrens in den USA publik wurden.

Die Regierung in Washington will diesen Vorwürfen nun nachgehen. Eine unabhängige Ermittlungsabteilung der EPA sei damit beauftragt, die Umstände der Risikobewertung von Glyphosat genau zu prüfen, heißt es in einem Schreiben an einen Kongressabgeordneten. Unterzeichnet ist es von Arthur Elkins, Generalinspekteur der EPA sowie der unabhängigen Regierungsstelle CBS, die Industrieunfälle untersucht. Es bestehe ein beträchtliches öffentliches Interesse, die Vorwürfe aufzuklären.

Die EPA war bei ihrer jüngsten Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass Glyphosat bei Menschen weder krebserregend sei, noch das Erbgut schädige. Eine Einschätzung, die auch europäische Behörden teilen. Aber auch deren Urteil ist umstritten. Spätestens bis Ende des Jahres muss in Europa über eine weitere Zulassung von Glyphosat entschieden werden.

Elkins Brief ist die Reaktion auf die Anfrage eines Demokraten aus dem US-Repräsentantenhaus, der "ernsthafte Zweifel an der Glyphosat-Einschätzung der Umweltbehörde" äußerte. Er fordert auch Aufklärung darüber, ob der frühere EPA-Direktor Jess Rowland im Sinne von Monsanto eine geplante Glyphosat-Untersuchung des US-Gesundheitsministeriums verhindert habe. Möglicherweise mit Erfolg, denn die Untersuchung fand nicht statt. Der ehemalige Direktor ließ die Vorwürfe inzwischen durch seinen Anwalt zurückweisen. Rowland habe der Behörde 26 Jahre "ehrenvoll gedient", sagte sein Anwalt der Huffington Post. Er sei ein Mann "höchster Integrität", der nichts Falsches getan habe. Rowland war im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen. Auch Monsanto bestreitet alle Vorwürfe.

Die Ermittlungen in den USA könnten sich auch auf das laufende Zulassungsverfahren in Europa auswirken. Rowland hatte unter anderem Kontakt zur Lebensmittelbehörde EFSA. Auch deren Risikobewertung ist umstritten. Vergangene Woche wurde eine neue Analyse vorgelegt, die zeigen soll, dass Krebsrisiken in Industriestudien möglicherweise ignoriert wurden. Dabei wurden erstmals Daten ausgewertet, die lange Zeit nur für Behörden zugänglich waren. Zuletzt konnten EU-Parlamentarier jedoch einen Teil der Studien einsehen. Professor Christopher Portier hat sie auf deren Bitte analysiert. Der Amerikaner war jahrzehntelang für US-Regierungsstellen tätig und fungierte auch als Berater der Krebsforschungsagentur bei der WHO.

EU-Behörden reagierten zurückhaltend auf Portiers Analyse. So auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das die wesentliche Vorarbeit bei der Glyphosat-Bewertung auf EU-Ebene geleistet hat. Dort sieht man keinen Anlass, Portiers Angaben zu prüfen. Solange seine Ergebnisse nicht in einem Fachblatt publiziert seien, sei eine wissenschaftliche Bewertung seriös nicht möglich, heißt es. Eine solche Veröffentlichung wäre jedoch rein rechtlich gar nicht zulässig. "Industriedaten durften ausdrücklich nur eingesehen, aber keinesfalls publiziert werden. Das weiß auch das BfR", so der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) könnte auf eine Prüfung drängen, doch sein Ministerium fühlt sich nicht zuständig. Das BfR sei eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung im Geschäftsbereich des Ministeriums, heißt es dort.

Ebner widerspricht: "Die Dienstaufsicht liegt ganz klar beim Landwirtschaftsministerium, so steht es im BfR-Gesetz." Schmidt müsse durchzusetzen, dass Hinweisen auf mögliche Fehler bei der Glyphosat-Einschätzung nachgegangen werde.

Gefährliche Verbindungen

Ein maßgeblicher Mitarbeiter in der Pestizid-Abteilung der US-Umweltbehörde EPA stand fest auf der Seite von Monsanto. Das belegen interne Mails des Konzerns, die ein Gericht in Kalifornien für die Öffentlichkeit freigab. In dem Prozess in San Francisco wird über die Klagen von 55 Menschen verhandelt, die selbst an Lymphdrüsenkrebs erkrankten oder Angehörige durch diesen Krebs verloren haben. Sie führen die Erkrankung auf die Anwendung von Glyphosat zurück und werfen Monsanto vor, das Risiko verschwiegen zu haben.

Der in den Unterlagen genannte Mitarbeiter heißt Jess Rowland und arbeitete bis zu seinem Ruhestand im April 2016 in der für Pestizide zuständigen Abteilung der EPA. Dort leitete er einen Ausschuss, der die Frage bearbeitete, ob der von Monsanto entwickelte Wirkstoff Glyphosat Krebs auslösen kann. Letzten September veröffentlichte die EPA das Gutachten des Ausschusses und verneinte die Frage. Glyphosat sei nicht krebserregend, lautete das Fazit der Behörde.

Die Gerichtsakten zeigen, wie Rowland Monsanto versprach, eine Glyphosat-Untersuchung des US-Gesundheitsministeriums zu sabotieren. Sie wurde dann auch tatsächlich aufgegeben. Rowland informierte den Konzern frühzeitig davon, dass die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat als vermutlich krebserregend einstufen würde. Als die IARC ihren Bericht im März 2015 veröffentlichte, wusste Monsanto seit Monaten Bescheid und hatte die Gegenpropaganda bereits vorbereitet. Zu den Mitteln des Konzerns gehörte es auch, Wissenschaftler für Studien zu bezahlen, die die Sicherheit von Glyphosat belegen sollten. In den veröffentlichen Mails diskutieren Monsanto-Manager, wie man einen Wissenschaftler ersetzen könnte, der dabei Skrupel bekommen hatte. In einer anderen Mail schlägt ein Monsanto-Manager vor, Wissenschaftler dafür zu bezahlen, dass sie Monsanto-Studien als eigene Arbeiten ausgeben und veröffentlichen, so wie das früher auch schon gemacht worden sei.

Angesichts solcher Einflußnahmen verwundert es nicht, dass das EPA-Gutachten Glyphosat vom Krebsverdacht freisprach. Doch inzwischen haben selbst hochrangige EPA-Experten Zweifel bekommen. Der wissenschaftliche Beirat, der die Pestizidarbeit der Behörde begutachtete, kam zu dem Schluss, dass bei der Glyphosatbewertung die zuständige EPA-Abteilung ihre eigenen Richtlinien nicht eingehalten habe. Ein Teil des Beirats war der Auffassung, dass anhand der vorliegenden Studien Glyphosat sehr wohl als vermutlich krebserregend eingestuft werden sollte. Die französische Zeitung Le Monde berichtete, dass bereits im Dezember 2015 die EPA-Abteilung für Forschung und Entwicklung die Arbeit der Pestizid-Abteilung zum Thema Glyphosat intern kritisiert hatte.

Monsanto wies auf Nachfrage von US-Medien sämtliche Vorwürfe zurück und betonte seine Seriösität.

Gentechnik gegen den Hunger? Für die FAO kein Thema

Immer wieder behaupten die großen Saatgutkonzerne, dass ihre gentechnisch veränderten Pflanzen notwendig seien, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Die Welternährungsorganisation FAO sieht das anders. In ihrem neuen Bericht zur Zukunft der Ernährung hat sie der Agro-Gentechnik nur einen einzigen Absatz gewidmet.

Der Report „The Future of Food and Agriculture” beschreibt 15 Trends und zehn Herausforderungen für die weltweite Ernährungssicherheit. Der Druck auf die vorhandenen natürlichen Ressourcen, die zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit und die Auswirkungen des Klimawandels gefährden aus Sicht der FAO das Ziel, den Hunger bis zum Jahr 2030 zu beenden. Zwar sei es in den letzten 30 Jahren durch eine wachsende Produktion von Lebensmittel gelungen, den Hunger einzudämmen. Doch sei dies mit erheblichen Umweltschäden verbunden gewesen. „Ressourcenintensive landwirtschaftliche Systeme mit hohem Input haben massive Waldzerstörungen, Wasserknappheit, Bodenverarmung und ein hohes Niveau an klimaschädlichen Emissionen verursacht“, schreibt die FAO. Nachhaltig sei diese Art der Intensivlandwirtschaft nicht. Notwendig seien statt dessen innovative Ansätze wie die Agrarökologie oder Agro-Forst-Systeme, die die natürlich Ressourcen schützen und dennoch produktiv sind.

Die Agro-Gentechnik kommt in dem 180-seitigen Bericht der FAO nur in einem Absatz im Kapitel Produktivität und Innovationen (Seite 53) vor. Die FAO beschränkt sich dabei auf die Feststellung, dass die Debatte um die Agro-Gentechnik die Erfolge anderer biotechnologischer Methoden überschattet habe. Dabei bezieht sie sich nicht auf neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas, sondern erwähnt als Beispiele für Erfolge die nur im Reagenzglas mögliche Kreuzung von afrikanischem und asiatischem Reis in den 90er Jahren (Nerica, New Rice for Africa) oder die Entwicklung mehrjähriger Reispflanzen in China.

Saatgutkonzerne argumentieren auch gerne, dass sie Pflanzen entwickeln, die Dürre gut vertragen und deshalb angesichts des Klimawandels besonders wichtig seien. Der FAO-Bericht erwähnt solche dürretoleranten gv-Pflanzen mit keinem Wort. Er betont statt dessen, dass die Landwirtschaft selbst ihren Ausstoß an Treibhausgasen und ihren Verbrauch an fossiler Energie drastisch verringern müsse. Entscheidend sei, den Kleinbauern nachhaltige Anbaumethoden zu vermitteln. Begleitende Programme müssten ferner die Situation der Bauern verbessern, etwa durch eine bessere Infrastruktur, soziale Absicherung und den Zugang zu Informationen.