Gesundheitsrisiken durch Glyphosat (2)

Es geht um Gentechnik und Glyphosat. Noch einmal meine zentrale Aussage: Gentechnik war zumindest am Anfang nichts anderes als der Versuch, Nutzpflanzen so zu manipulieren, dass sie durch den Einsatz von Herbiziden nicht geschädigt werden. Im Ergebnis haben wir also heute zwei Risiken: Die nicht erforschten Risiken der Gentechnik und damit verbunden der massive Einsatz von Glyphosat.

Glyphosat ist der weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichter. Doch es hatten sich die Hinweise gemehrt, dass die Substanz Mensch und Tier schaden könnte. Lange Zeit war daher umstritten, die Zulassung zu verlängern.

Im März 2015 war der Streit über die Gefahren von Glyphosat neu entbrannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte den Stoff als "wahrscheinlich krebserregend" klassifiziert, das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und später auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hingegen als "nicht krebserregend".

Forscher und Politiker versuchten mehr als ein Jahr lang zu klären, wer Recht hat. Einige Studien sprechen gegen das Mittel. Selbst das BfR widersprach der WHO-Einschätzung im Kern letztlich nicht mehr. Trotzdem kam im Mai 2016 ein Fachgremium, an dem die WHO ebenfalls beteiligt war, zu dem Ergebnis: "Glyphosat ist nicht krebserregend".

Die Mitgliedstaaten der EU konnten sich bis zum Schluss nicht einigen. Also entschied die EU-Kommission am 29. Juni 2016: Die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters in Europa wird um bis zu 18 Monate verlängert.

Das Spritzmittel Glyphosat

Das Breitbandherbizid Glyphosat wurde 1974 von der Firma Monsanto unter dem Namen Roundup auf den Markt gebracht. Inzwischen wird es weltweit eingesetzt und hat allen anderen Herbiziden den Rang abgelaufen. Nach Auslaufen des Patentschutzes begannen zahlreiche weitere Firmen, glyphosathaltige Produkte herzustellen und unter verschiedenen Handelsmarken zu vertreiben. Allein in Deutschland sind derzeit (Stand: 2015) 94 glyphosathaltige Mittel zugelassen – etwa für die Anwendung im Acker-, Obst- und Weinbau, in der Forstwirtschaft, im Zierpflanzenbereich, auf Nichtkulturland sowie im Haus- und Kleingarten. Der Glyphosat-Gehalt in den Produkten ist sehr unterschiedlich und reicht von weniger als zehn Gramm pro Liter bis zu 450 Gramm. Der Anteil der deutschen landwirtschaftlich genutzten Flächen, die mit dem Herbizid behandelt werden, wird auf 40% geschätzt.

Wo wird es angewendet?

Glyphosat wird besonders intensiv bei glyphosatresistenten Pflanzen, auch RoundupReady (RR)-Pflanzen genannt, eingesetzt, denen gentechnisch eine Resistenz gegen das Totalherbizid übertragen wurde. Über 85 Prozent der weltweit angebauten Gentech-Pflanzen (laut ISAAA knapp 180 Millionen Hektar im Jahr 2015) tragen eine Herbizidresistenz, zumeist gegen Glyphosat. Die Gentech-Pflanze schlechthin ist RR-Soja, die, erstmals zugelassen 1996, inzwischen auf neunzig Millionen Hektar in Nord- und Südamerika angebaut wird. Der Glyphosatverbrauch schoss deshalb in den letzten Jahren in die Höhe (2014 lag der Verbrauch bei 826.000 Tonnen). Mit einem weiter steigenden Verbrauch wird von Industrieseite gerechnet. Sehr große Mengen solcher glyphosatbehandelter Gentech-Pflanzen werden (vor allem als Futtermittel) in die EU importiert.

Auch wenn in der EU keine RR-Pflanzen zum Anbau zugelassen sind, wird auch hier Glyphosat vermehrt gespritzt. So hat in den letzten Jahren sein Einsatz zur so genannten Sikkation, dem Abspritzen/Trocknen der Pflanzen ein bis zwei Wochen vor der Ernte, oder zur Beseitigung von unerwünschtem Aufwuchs sehr stark zugenommen. Die so genannte Sikkation dient der Reifebeschleunigung und vereinfacht die Ernte, die Glyphosatspritzung nach der Ernte erspart die mechanische Stoppelbehandlung durch Pflügen. Im Rahmen von pflugloser Bodenbearbeitung (englisch „no till“) wird häufig Glyphosat eingesetzt, um Unkräuter, Ausfallraps und Ausfallgetreide abzutöten.

Nach einer Studie der Universität Göttingen werden in Deutschland rund 40 Prozent der Ackerflächen mit Glyphosat behandelt, dies gilt vor allem für Winterraps (87 Prozent), Körner-Leguminosen (72 Prozent) und Wintergerste (66 Prozent). Die Autoren schrieben „Glyphosat ist nicht nur ein Herbizid, sondern auch ein Ackerbauinstrument. Ein großer Teil der Stoppeln im Ackerbau Deutschlands wird mit Hilfe von glyphosathaltigen Herbiziden gepflegt.“

Viele Beweise sprechen gegen Glyphosat

Das weltweit am meisten eingesetzte Herbizid Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend. Mit dieser Aussage hatte die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) bereits im März 2015 für Aufsehen gesorgt. Nun liegen umfassende Belege für die Bewertung vor. In einer 92 Seiten umfassenden Monografie veröffentlichte die IARC Grundlagen zum Pflanzenschutzmittel, sie gibt einen Überblick über relevante Studien und liefert darauf basierend eine Einschätzung. So hatte es die Weltgesundheitsorganisation WHO in Auftrag gegeben.

Rückstände in Lebensmitteln

Glyphosat wird in behandelten Pflanzen praktisch nicht abgebaut, es reichert sich v. a. in Samen und Wurzeln an. Mit Rückständen in Lebens- und Futtermitteln ist deshalb zu rechnen. Die für Lebensmittel maximal zulässigen Rückstandswerte (maximum residue level MRL) für Glyphosat reichen von 0,05 mg/kg (Milch, Fleisch, Eier) bzw. 0,1 mg/kg (die meisten Gemüse- und Obstarten) bis zum Wert von 20 mg/kg (Soja, Hafer, Gerste und Sonnenblume), bei Wildpilzen sind sogar bis zu 50 mg/kg zulässig. Laut Bundesregierung (2011) „sind Änderungen an Rückstandshöchstgehalten bei Glyphosat i.d.R. durch die landwirtschaftliche Praxis bedingt.“ So wurde in der EU im Jahr 2012 der Glyphosat-MRL für Linsen um das Hundertfache von 0,1 mg/kg auf 10 mg/kg erhöht. Grund: Aus Nordamerika importierte Linsen wiesen erhöhte Rückstandswerte auf, ein Import dieser Linsen wäre nicht mehr zulässig gewesen. Durch die Erhöhung des MRL kann der Import weiterhin erfolgen.

Obwohl Glyphosat das weltweit meist eingesetzte Herbizid ist, wurden Lebensmittel in der Vergangenheit selten auf seine Rückstände untersucht. So wurden in der EU 2008 bzw. 2009 nur 0,43 bzw. 0,25 Prozent der auf Pestizidrückstände untersuchten Getreideproben auf Glyphosat getestet, der Nachweis gelang in 5,9 bzw. 9,1 Prozent der Glyphosattests. Neuere Daten zeigen, dass nicht nur in RR-Pflanzen Rückstände zu finden sind, sondern durchaus auch in nicht-gentechnisch veränderten Pflanzen, beispielsweise in solchen, die vor der Ernte zwecks Sikkation behandelt wurden. 2012 ließ sich der Wirkstoff in 14 von 20 Getreideprodukten (Mehl, Semmeln) nachweisen, Glyphosat übersteht auch das Backen (Öko-Test).

Von Mensch und Tier aufgenommenes Glyphosat kann über den Urin ausgeschieden werden: Glyphosat wurde nicht nur im Urin von Nutztieren und Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, nachgewiesen, sondern in geringen Mengen auch im Urin von Stadtbewohnern. In stichprobenartigen Untersuchungen fand sich in 44 Prozent der Urinproben von Stadtbewohnern aus 18 europäischen Ländern Glyphosat, in Deutschland ließ sich in sieben von zehn Urinproben Glyphosat nachweisen (BUND). Wie lang Glyphosat im Körper verbleibt und ob tatsächlich alles ausgeschieden wird, ist strittig.

Glyphosat im Urin

In Stichproben wurde im Urin von Großstadtbewohnern - also Menschen, die normalerweise nicht in Berührung mit Ackergiften kommen - Glyphosat festgestellt.

Während die Umweltschutzorganisation BUND das als weiteren Warnschuss sah und forderte, den Einsatz der Chemikalie deutlich zu reduzieren, bezeichnete die Bundesbehörde BfR die Ergebnisse als erwartbar. Es bestehe kein Grund zur Sorge.

Auch im Urin von Kühen wurde Glyphosat gefunden. Wissenschaftler der Uni Leipzig führen das auf die Futtermittel - oft Soja von den Gentechnik-Plantagen Südamerikas - zurück. Sie fanden auch Hinweise auf Gesundheitsschäden. Das BfR relativierte die Ergebnisse.