Antioxidantien: 10 verbreitete Irrtümer zu Antioxidantien

Antioxidantien: 10 verbreitete Irrtümer zu Antioxidantien

Zu antioxidativ wirkenden Substanzen wie Vitaminen, Carotinoiden oder Pflanzenextrakten und OPC gibt es viele Irrtümer, die sich teils hartnäckig halten und immer wieder durch halb informierte Medien verbreitet werden. Maastrichter Wissenschaftler räumen in einer Fachveröffentlichung mit den zehn häufigsten Irrtümern zu Antioxidantien auf.

An der Universität von Maastricht in den Niederlanden gibt es eine zukunftsweisende Fakultät mit dem Namen „Gesundheit, Medizin und Lebenswissenschaften„. Allein dieser Titel weist schon darauf hin, dass man sich hier vom klassischen Korsett medizinischer Fakultäten befreit hat. Praxisbezogene Forschung und Lehre, in Maastricht wird dies „problemorientiertes Lernen“ genannt, stehen in der Hauptstadt der Provinz Limburg im Mittelpunkt.

Diesem Anspruch folgt auch die Forschungsübersicht der Professoren aus der toxikologischen Abteilung Aalt Bast und Guido R.M.M. Haenen, in der sie mit den zehn Hauptirrtümern zu Antioxidantien aufräumen.

Hauptantrieb der beiden Wissenschaftler war dabei die Tatsache, dass verbreitete polarisierende Aussagen zu Antioxidantien die Forschung auf diesem Gebiet erheblich behindern sowie Verbraucher und sogar Wissenschaftler verwirren. Aussagen werden dabei mit ideologischen Scheuklappen, die keine Gegenargumente gelten lassen, getroffen. Von den einen als Quelle der Gesundheit nahezu vergöttert und von anderen als extrem gefährlich und toxisch verdammt, ist es so schwierig, der wahren Bedeutung von Antioxidantien gewahr zu werden.

Antioxidantien können weder alle Krankheiten heilen noch erhöhen sie die Sterblichkeitsrate, aber zu viel des Guten kann auch negative Folgen haben.

Irrtum 1: Antioxidantien können jede Krankheit heilen

So stufen Bast und Haenen zunächst die Aussage, dass Antioxidantien alle Krankheiten kurieren können, als inkorrekt ein. Antioxidantien können aber vor den negativen Folgen reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), volkstümlich „Sauerstoffradikale“ oder „freie Radikale“, schützen. Hinweise darauf, dass sie wirksam gegen Krankheiten sind, die als Folge von ROS entstehen, haben nur wenig schlüssige Beweiskraft. Hier wird den Antioxidantien zu viel zugetraut.

Irrtum 2: Antioxidantien erhöhen die Sterblichkeit

Allerdings müssen wohl auch die Ergebnisse einer aktuellen Meta-Analyse ins Reich der Legenden verbannt werden, nach denen die Supplementierung von Antioxidantien die Sterblichkeitsrate erhöht. Eine nochmalige Überprüfung hat ergeben, dass keine der Studien, die für diese Aussage herangezogen wurde, Sterblichkeitsfragen im Fokus hatte und das Ergebnis der Meta-Analyse also hineininterpretiert war.

Irrtum 3: Je mehr Antioxidantien, desto besser

Dass Antioxidantien nicht mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate in Verbindung gebracht werden können, heißt allerdings nicht, dass bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel nach dem Motto „je mehr desto besser“ verfahren werden kann. Auch wenn einer der Gründungsväter der Biochemie, der Nobelpreisträger Linus Carl Pauling, beispielsweise eine tägliche Dosis von 1.000 Milligramm der Antioxidans Vitamin C zur Förderung der Gesundheit empfohlen hat, werden bei so hohen Einnahmemengen - allerdings sehr selten - auch toxische Wirkungen berichtet.

Das heißt aber eben nicht, dass eine empfohlene Tagesdosis von 75 bis 90 Milligramm der Weisheit letzter Schluss ist. Es geht einfach darum, dass die Forschung eine Menge definieren muss, bei der das Nutzen-Risiko-Verhältnis optimal ist.

Irrtum 4: Hohe Dosierungen von Antioxidantien wirken sogar pro-oxidativ

„Jede Antioxidans ist einzigartig, was Verallgemeinerungen unmöglich macht – außer, dass sehr sehr hohe Mengen pro-oxidant wirken.“

Dies ist ein weiterer Irrtum. Auch wenn sehr starke Überdosierungen von Stoffen mit unerwünschten Begleiterscheinungen verbunden (sehr selten) sein können, kann doch nicht behauptet werden, dass hohe Dosen an Antioxidantien pro-oxidant sind, also die Wirkung umkehrend wirken.

Wieder ist es hier die Ascorbinsäure (Vitamin C), die den Gegenbeweis antritt. Beim Vitamin C ist es tatsächlich so, dass sehr geringe Mengen (Bereich weniger mg täglich) pro-oxidant wirken und der antioxidative Effekt erst bei höheren Konzentrationen (ab 100 mg) auftritt.

Irrtum 5: Jedes Antioxidans wirkt ähnlich

Als fünfte Fehlinformation markieren die Limburger Wissenschaftler, die Annahme, dass jede Antioxidans ähnlich wirkt. Es handelt sich vielmehr um sehr unterschiedliche chemische Substanzen aus den Gruppen der Thiole, Phenole und Amine, die hydrophile oder lipophile Eigenschaften, also eine Wechselwirkung mit Wasser oder Fett eingehen, sowie jeweils einzigartige biochemische Profile haben, womit sie sehr divergierende biologische Wirkmechanismen ansprechen.

Daraus kann gefolgert werden, dass Wirkstoff-Kombinationen verschiedener antioxidativer Stoffe durchaus sinnvoll sind, weil sie unterschiedliche Ziele ansprechen.

Irrtum 6: Antioxidantien sind inaktive Substanzen und wirkungslos

Es ist weiterhin ein Fehlschluss, das Antioxidantien inaktiv seien, da sie einfach nicht schneller gegen freie Radikale wirken können als endogene oder körpereigene Moleküle. Sie zeigen sehr wohl lokale und indirekte wie anti-inflammatorische Aktivitäten und ermöglichen daher überhaupt das Überleben in einer sauerstoffbasierten Umwelt.

Irrtum 7: Der antioxidative Status misst den Grad der Gesundheit

Mit verschiedenen Methoden wird das Niveau von Antioxidantien im Blutplasma bestimmt. Diese können sehr wohl als Indikatoren für die Schwere einer bestimmten Erkrankung gewertet werden, lassen aber keine generalisierten Aussagen zu einem allgemeinen Gesundheitszustand zu. Dazu sind die Tests zu unspezifisch und berücksichtigen nicht die fundamental unterschiedlichen biochemischen Profile der einzelnen Antioxidantien. Der spezifische Status einzelner Antioxidantien kann aber als ein Indikator von vielen für einzelne Krankheiten herangezogen werden.

Irrtum 8: Sind Antioxidantien einmal verbraucht, sind sie unwirksam

Nicht unbedingt richtig ist auch die Annahme, dass Antioxidantien, sobald sie oxidiert sind, inaktiv werden und ihre Wirkung verlieren. Auch oxidierte Antioxidantien können wirksam bleiben. Die beiden holländischen Forscher führen hier die Dihydroliponsäure an, die sehr wohl als Radikalfänger aktiv bleibt, selbst wenn sie oxidiert ist.

Irrtum 9: Natürliche Antioxidantien sind besser als synthetisch hergestellte

Auch wenn es oft zu einem bevorzugten Lebensstil gehört, eine Gegnerschaft zu allem Synthetischen also eine gewisse Chemophobie an Tag zu legen, sind natürlich gewonnene Antioxidantien doch nicht in jedem Falle künstlichen überlegen.

Sehr wohl sind einige Bio-Antioxidantien aufgrund der unnachahmlichen Komplexität ihrer Verbindungen wirksamer als im Labor hergestellte Produkte. Das muss nicht immer so sein. Für Vitamin E und Vitamin C gilt, dass die synthetische Formen des antioxidativen E-Vitamins R,R,Ra-Tocopherol oder auch der L-Ascorbinsäure chemisch und molekular völlig identisch sind mit den natürlichen Formen.

Interessanterweise ist natürliches Vitamin E der chemischen Variante – obwohl sie den gleichen Molekülaufbau besitzen – in der Wirksamkeit überlegen. Bei Vitamin C gibt es aber keine Unterschiede. Es kommt auch hier wiederum auf den Einzelfall an.

Irrtum 10: Medikamente können nicht antioxidativ wirken

Schließlich wird oft behauptet, dass antioxidative Eigenschaften von Medikamenten, in der Formel eingeplant oder nicht, wirkungslos seien. Hier geben die Maastrichter zu, dass spezifische Effekte schwer am lebenden Subjekt festzumachen sind. Jedoch ist ihnen aufgefallen, dass in genau den Studien, die eine wirkungslose Inaktivität von Antioxidatien behaupten, auch eine Toxizität und gar die Sterblichkeit fördernde Eigenschaften postuliert werden. Das wird von den beiden Forschern zurecht als paradox zurückgewiesen.