In den Medien werden Meldungen über gentechnisch veränderte Tiere oft mit Stichworten wie "Frankenstein" oder "Monster" versehen. Doch was zunächst wie zweitklassige Science Fiction klingt, ist längst Realität in vielen Labors. Auf der Suche nach dem vermeintlichen medizinischen Fortschritt oder einer Wunderwaffe gegen den Welthunger führen Wissenschaftler Gentech-Experimente an Tieren durch - und setzen diese unter Umständen auch zu Versuchszwecken in der freien Wildbahn aus.
Doch ein Allzweckheilmittel für Krankheiten und Hunger ist die Gentechnik nicht. Stattdessen sind die Konsequenzen für Ökosysteme und unsere Gesundheit völlig unklar.
Das erste patentierte Tier war 1992 die "Krebsmaus" (in den USA 1988). Danach nahm die Zahl der Patente sprunghaft zu. Momentan werden rund 100 Tier-Patente pro Jahr erteilt. Dabei ist der Nutzen der gentechnisch veränderten Tiere für die Forschung umstritten. Kritiker argumentieren, dass diesbezügliche Hoffnungen wegen der Komplexität der Gene oft enttäuscht worden seien.
Im November 2015 wurde Lachs der Firma Aquabounty in den USA als erstes Gentechnik-Tier weltweit zum Verzehr als Lebensmittel zugelassen.
US-Behörden haben erstmals ein gentechnisch verändertes Tier als Lebensmittel zugelassen. Es geht um einen Lachs, der wegen der eingebauten Gene schneller wachsen soll. Die Aufzucht darf aber nur im Ausland stattfinden.
Wie die US-Lebensmittelbehörde FDA heute mitteilte, darf der sogenannte „AquAdvantage“-Lachs der Firma Aquabounty als Lebensmittel auf den Markt gebracht werden. Die Eier dürfen nur in einer speziellen Anlage in Kanada erzeugt werden. Die Aufzucht muss in einer Anlage in Panama stattfinden. Nur dann darf der Gentech-Lachs ins Land. Viele Supermärkte haben allerdings schon mitgeteilt, dass sie den Verkauf des transgenen Fischs ablehnen.
Die Herstellerfirma freut sich trotzdem. In ihrer Presserklärung heißt es, über 90 Prozent des in den USA verzehrten Seelachs werde importiert. Nun sei die Möglichkeit für eine „heimische Produktion“ gegeben. Dass die FDA nur Gentechnik-Lachs aus Panama akzeptiert, wird nicht erwähnt.
Die gentechnik-kritische Verbraucherschutzorganisation Center for Food Safety kritisierte die Genehmigung. Man sei „enttäuscht und sehr besorgt“, twitterte die NGO. Es gebe keine Studien zu langfristigen Gesundheits- und Umweltauswirkungen. Die FDA erklärte hingegen, man habe alle von Aquabounty eingereichten Daten geprüft - und halte den Lachs für sicher.
Der Weg des Gentechnik-Lachs bis zur US-Marktzulassung war lang. Die Firma stand Berichten zufolge bereits vor der Pleite. Nun bleibt abzuwarten, ob sich der gentechnisch veränderte Fisch im Kühlregal durchsetzen kann.
Mehrere Biotechnologie- und Pharmafirmen halten Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen. Das Unternehmen Intrexon aus den USA erhielt 2012 zwei Patente zugesprochen. Diese erstrecken sich auf mehrere Säugetiere, denen Insekten-Gene eingesetzt wurden. Sie sollen eine Veränderung der Arbeitsweise der Tierzellen ermöglichen – und letztlich, so befürchtet ein patentkritisches Bündnis, die gewinnbringende Vermarktung speziell angepasster Versuchstiere. Altor BioScience, ebenfalls aus den USA, gewährte das Europäische Patentamt im Juni ein Patent auf „transgene Tiere mit humanisiertem Immunsystem“.
Mittlerweile wurde es zurückgezogen.
2011 wurde ein Patent auf einen gentechnisch veränderten Schimpansen vergeben, der durch die Modifizierung an Epilepsie erkrankt, damit entsprechende Medikamente getestet werden können.
Im Europäischen Patentamt in München hat am 7.7.2015 eine Anhörung zu Patenten auf gentechnisch veränderte Tiere stattgefunden. Wie inzwischen bekannt wurde, will eine US-Firma ein besonders umstrittenes Patent auf Schimpansen zurückziehen. Kritiker von Biopatenten begrüßen das, fordern aber auch bei anderen Säugetieren einen Patentstopp.
Das Unternehmen Altor BioScience habe angekündigt, das Patent auf Gentechnik-Schimpansen nicht aufrecht erhalten zu wollen. Das teilten mehrere Organisationen – darunter das Jane Goodall Institut und die Wild Chimpanzee Foundation Deutschland (WCF) - mit, die vor zwei Jahren gegen das Patent Einspruch eingelegt hatten. Es erstreckt sich allerdings nicht nur auf Affen, sondern auch auf gentechnisch veränderte Mäuse, Schweine, Ziegen, Zebrafische sowie einige weitere Tiere. Viele der Gentechnik-Tiere landen in Versuchslaboren der Pharmaindustrie.
„Patente auf gentechnisch veränderte Menschenaffen sind ein Affront gegen die Würde von Mensch und Tier. Deswegen ist der Rückzug von Altor BioScience ein wichtiger Erfolg“, erklärte Tierarzt Christoph Then vom Münchner Verein Testbiotech. „Aber auch Patente auf Ratten und Mäuse sind medizinisch nicht begründbar und ethisch nicht zu rechtfertigen. Wer Arzneimittel produzieren will, darf deswegen noch längst keine Tiere als Erfindung beanspruchen.“
„Gerade der Bereich der Genmanipulation an Tieren ist der Hauptgrund für den stetigen Anstieg der Zahl der in Tierversuchen verwendeten Tiere. Statt diese traurige Entwicklung durch Patente auch noch zu befeuern, sollte in eine ethisch vertretbare, moderne tierversuchsfreie Forschung investiert werden“, forderte Brigitte Rusche, Vizepräsidentin des Deutschen Tierschutzbundes und Leiterin der Akademie für Tierschutz.
Andere Firmen, die sich ebenfalls gentechnisch veränderte Schimpansen als „geistiges Eigentum“ anerkennen ließen, sind laut den NGOs aber nicht bereit, auf ihre Ansprüche zu verzichten. Das Europäische Patentamt, das keine EU-Institution ist, steht immer wieder wegen der Vergabe von Patenten auf Pflanzen und Tiere in der Kritik.
Im April 2014 erhielt die britische Firma Oxitec, in deren Vorstand ehemalige Mitarbeiter des Gentech-Konzerns Syngenta sitzen, die erste Genehmigung zur kommerziellen Freisetzung von gentechnisch veränderten Insekten weltweit. Eine brasilianische Behörde genehmigte ihre Gentechnik-Moskitos, mit denen die Verbreitung des Dengue-Virus gebremst werden soll. Ob das wirklich besser funktioniert als bisherige Methoden - und ob es Nebenwirkungen gibt - ist unklar.
Die Organisationen Testbiotech, GeneWatch UK, Corporate Europe Observatory, Erklärung von Bern und SwissAid zeigten 2012, wie Oxitec und Syngenta Einfluss auf Regulierungsmechanismen nehmen, um künftig gentechnisch veränderte Insekten auf den Markt bringen zu können. So war ein Oxitec-Manager direkt an der Entwicklung von Richtlinien bei der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA beteiligt, andere Experten der Behörde haben Verbindungen zu diesem oder anderen Unternehmen. In Spanien will Oxitec transgene Olivenfliegen freisetzen.
Im brasilianischen Bundesstaat Bahia wurde im Juli 2012 eine „Moskito-Fabrik“ eingeweiht, in der vier Millionen gentechnisch veränderte Stechmücken pro Jahr ausgebrütet werden sollen. In der 850.000 US-Dollar teuren Anlage wird den Moskitos ein Gen eingepflanzt, das deren Nachkommen noch im Larvenstadium abtöten soll. Das brasilianische Gesundheitsministerium erhofft sich dadurch Fortschritte bei der Bekämpfung des Denguefiebers. Kritiker warnen jedoch vor "unvorhersehbaren Folgen für Umwelt und Gesundheit von Mensch und Tier." weiterlesen...
Eine staatliche Mücken-Kontroll-Einheit hat Ende Juli auf den Cayman Inseln damit begonnen, mehr als Hunderttausend gentechnisch veränderte Mücken freizusetzen. Mithilfe der Gentech-Insekten hofft die Inselregierung, Bewohner und Besucher der mückengeplagten Gegend besser vor dem Zika-Virus schützen zu können. Kritiker befürchten, dass die Aktion mehr schadet als nützt.
Überträger des Zika-Virus ist die Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti). Die Firma Oxitec hat die Gene von männlichen Mücken so verändert, dass der Nachwuchs, den sie zeugen, bereits im Larvenstadium stirbt. Durch die Freisetzung solcher Mückenmännchen soll laut Oxitec die Population der Tigermücken signifikant reduziert werden. Damit könnten diese auch das Zika-Virus kaum noch verbreiten.
Nach Ansicht von Kritikern ist nicht absehbar, welche Folgen es für das Ökosystem hat, diese Gentech-Mücken freizusetzen. Es sei nicht gesichert, dass die Mückenpopulation dadurch tatsächlich kleiner werde. Außerdem könnte sich das Virus auf anderen Insekten niederlassen. Schließlich sei nicht ausgeschlossen, dass durch die Gentech-Mücken mittelfristig unvorhersehbare Schäden verursacht werden. Richter hatten die Freisetzung daher per Einstweiliger Verfügung vorübergehend ausgesetzt, sie dann aber doch wieder zugelassen.
Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat Richtlinien für die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Tieren vorgelegt. Mehrere Jahre habe man auf Weisung der EU-Kommission daran gearbeitet, teilte die Behörde letzte Woche im italienischen Parma mit. Umweltorganisationen kritisieren, dadurch werde der Weg für künftige Genehmigungen geebnet. In den USA steht mit dem „AquAdvantage“-Lachs bereits ein Gentechnik-Tier vor der Marktzulassung.
Geforscht wird zwar schon länger an transgenen Tieren. In der EU gab es bislang aber keine Anträge auf Zulassungen. Dies könne sich in Zukunft jedoch ändern, erklärte die EFSA. Aktuelle Entwicklungen in der Wissenschaft wiesen darauf hin. Mit den nun vorgelegten Richtlinien will sich die Behörde dafür wappnen. Sie beziehen sich auf Fisch, Säugetiere, Vögel und Insekten. „Der Kern der Richtlinien ist, dass die Bewertung der Umweltrisiken von GV-Tieren in einer wissenschaftlichen und transparenten Art und Weise durchgeführt werden muss“, sagte Elisabeth Waigmann, die die Gentechnik-Abteilung leitet.
Genau daran entzündete sich jedoch immer wieder die Kritik an der Arbeit der Behörde. Ihren Gentechnik-Experten werden Interessenkonflikte vorgeworfen, da sie teils parallel für Lobbygruppen der Agrar-Industrie tätig waren oder noch sind. So bedauert die britische Organisation GeneWatch, dass die EFSA nicht auf eine Untersuchung der Vorwürfe gewartet habe. Der Bürgerbeauftragte der EU, Nikiforos Diamandouros, hatte im März ein Verfahren eingeleitet. Darin geht es ausgerechnet um die Industrienähe derjenigen Arbeitsgruppe, die sich mit transgenen Insekten beschäftigt. Die britische Firma Oxitec will unter anderem gentechnisch veränderte Fliegen auf den Markt bringen – ihre Vertreter durften an der Ausgestaltung der EFSA-Richtlinie mitwirken.
Generelle Kritik an den Richtlinien kommt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. „Wir sehen darin, dass die EFSA eine Umweltrisikobewertung vornimmt, eine politische Willensbekundung der Kommission und der EFSA, die Markteinführung gentechnisch veränderter Tiere vorzubereiten“, erklärte Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin beim BUND. Dabei hätten solche Tiere bei den skeptischen Verbrauchern ohnehin keine Chance. „Menschen, die Produkte von Gentech-Pflanzen nicht akzeptieren, essen erst recht keine Produkte vom Gentech-Tier.“