Wie Mangelernährung zu Entzündungen führt

Wie Mangelernährung zu Durchfall und Entzündungen des Darmes führen kann, haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Exzellenzclusters Entzündungsforschung und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, Österreich, herausgefunden.

Diese überraschenden Erkenntnisse zeigen erstmals den molekularen Einfluss der Ernährung auf das Gleichgewicht zwischen Immunsystem und Darmflora. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Ich möchte noch einmal auf unsere aktuellen Sonderangebote verweisen. Details finden Sie am Ende dieser Ausgabe.

Millionen von Menschen in Entwicklungsländern leiden an Hunger.

Mangelernährung ist nach wie vor, auch in reicheren Ländern, ein großes Problem und zählt zu den Haupttodesursachen auf der Welt. Angelernährung liegt aber auch vor, wenn sich Menschen einfach nur falsch und einseitig ernähren. Insofern ist Mangelernährung nicht nur in eine Erscheinung in Entwicklungsländern.

Schon lange ist bekannt, dass Mangelernährung zu Durchfall, Entzündungen des Darmes und Störungen des Immunsystems führt und so den Körper schwächt. Die molekularen Mechanismen, die die Zusammenhänge zwischen der Mangelernährung und den Auswirkungen auf den Darm erklären, waren bisher weitgehend unverstanden.

Die Arbeitsgruppe von Professor Philip Rosenstiel, Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) am Campus Kiel, hat jetzt zusammen mit Professor Stefan Schreiber, Klinik für Innere Medizin I am Campus Kiel, auf molekularer Ebene eine Erklärung für die gesteigerte Anfälligkeit für Darmentzündungen bei Mangelernährung gefunden. In Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Professor Josef Penninger, Institut für Molekulare Biotechnologie, Wien, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) Gen untersucht und eine vollkommen neue Funktion entdeckt. ACE2 kontrolliert, wie der Darm aus der Nahrung Aminosäuren, insbesondere die essentielle Aminosäure Tryptophan, aufnimmt.

Nehmen wir zu wenig Tryptophan mit der Nahrung auf, wird das Immunsystem im Darm gestört.

Dies wiederum bewirkt, dass sich die Zusammensetzung der im Darm angesiedelten Bakterien verändert und der Körper damit anfälliger für Durchfälle und Entzündungen wird. Die Studien haben gezeigt, dass eine tryptophanreiche Ernährung bei Mäusen Entzündungssymptome lindern kann. Die Zusammensetzung der Darmbakterien normalisiert sich, die Entzündungen klingen ab und die Tiere werden weniger empfindlich gegenüber einer neuen Erkrankung.

Penninger, der bereits seit über zehn Jahren an ACE2 forscht, welches auch als Schlüsselfaktor bei einer SARS-Virus Infektion identifiziert wurde, war über die neue Verbindung von ACE2 und dem Aminosäure- Gleichgewicht völlig überrascht. Ob tatsächlich eine einfache Ernährung mit Tryptophan die Effekte von Mangelernährung heilen könne, müsse jetzt in klinischen Studien gezeigt werden, so Penninger.

„Die Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, wie ein bestimmter Baustein der Nahrung, den wir täglich zu uns nehmen, direkte Wirkung auf die Zusammensetzung der Darmflora nimmt und so die Gesundheit beeinflusst“, sagt Rosenstiel. „Die Studie zeigt, dass die Darmflora ein untrennbarer Teil des menschlichen Organismus ist und überlebenswichtige Funktionen übernimmt. Mit den Erkenntnissen könnten aber nicht nur Krankheiten durch Mangelernährung verhindert, sondern auch neue Wege der Therapie bei chronischen Entzündungen des Darmes wie dem Morbus Crohn oder der Colitis ulcerosa beschritten werden.“

Tryptophan hilfreich bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen

„Die Auswirkung dieser Befunde auf die Entwicklung neuer Therapien liegt auf der Hand: Wir müssen jetzt auch an Patienten zeigen, dass wir durch spezifische Nahrungsbestandteile wie dem Tryptophan in der Lage sind bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu helfen“, sagt Schreiber, der auch Sprecher des Exzellenzclusters Entzündung an Grenzflächen ist. „Da es sich hierbei um Ernährungsinterventionen handelt, können wir die Ergebnisse schnell klinisch umsetzen. Dieses Beispiel zeigt, dass die enge Verbindung der Ernährungswissenschaften und Medizin, die in Kiel auch durch gemeinsame Professuren gelebt wird, eine wichtige Zukunftsinvestition für das UKSH und die Universität ist.“

Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit

Auch das UKSH ist stolz auf diese Forschungsergebnisse. „Dieser spektakuläre Erfolg zeigt wieder einmal, wie wichtig die Nähe zwischen Grundlagenforschung und Patientenversorgung ist“, sagt Professor Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH. „Die Verpflichtung eines Universitätsklinikums ist es, neue Therapien zu entwickeln und somit der ‚normalen‘ Medizin um Jahre voraus zu sein. Dieses bringen wir auch unseren Studenten bei, für die insbesondere der Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit ein wichtiges Zukunftsfeld in der Medizin sein wird.“

Originalpublikation: “ACE2 links amino acid malnutrition to microbial ecology and intestinal inflammation" Nature, Volume 487, No. 7407, 26. Juli 2012

Die Aminosäure L-Tryptophan

Gemeinsam mit Phenylalanin, Tyrosin und Histidin zählt Tryptophan zu den aromatischen Aminosäuren. Tryptophan ist auch für den Leberstoffwechsel wichtig. Es kann im Organismus in Niacin umgewandelt werden. Tryptophan kann positiv auf die Schlaflosigkeit einwirken, die natürliche Entspannung der Nerven unterstützen und zur Verkürzung der Einschlafzeit beitragen.

Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure und im Körper die Vorstufe von Serotonin und Melatonin. Serotonin ist ein Botenstoff im Gehirn. Es regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus und die Stimmungslage sowie das Schmerzempfinden, es wird auch als Glückshormon bezeichnet. Melatonin ist ein Hormon, das ebenfalls für den Schlafrhythmus sorgt. Der menschliche Organismus kann diese essentielle Aminosäure selbst nicht herstellen und ist somit auf die Zufuhr mit der Nahrung angewiesen. Tryptophan zählt zu jenen Aminosäuren, die in unserer Nahrung am wenigsten vorkommen. Tryptophan ist eine Vorstufe von Nicotinsäure (Vitamin B3) und hat deshalb den Charakter eines Provitamins. Weiterhin wird es zum Neurotransmitter Serotonin umgewandelt. Es ist indirekt an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt und begünstigt die Zinkaufnahme des Körpers.

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