Melatonin: Schlüssel zu ewiger Jugend, Gesundheit und Fitness (1)

Unser Hauptthema für die nächste Serie über Nährstoffe ist Melatonin. Heute bekommen Sie Teil 1.

Die folgenden Ausführungen basieren auf verschiedenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, in der Hauptsache jedoch auf der deutschen Übersetzung des Buches "Melatonin - Schlüssel zu ewiger Jugend, Gesundheit und Fitness" von Dr. Dr. Walter Pierpaoli (Schweiz/Italien) und Dr. William Regelson (USA), erschienen im Goldmann Verlag, München, ISBN 3-442-12710-6.

Pierpaoli und Regelson sind zwei der profiliertesten Wissenschafter auf dem Gebiet der Altersforschung. Bereits sehr früh stießen sie bei ihrer Arbeit auf das Zirbeldrüsenhormon Melatonin und erkannten rasch die weit reichende Bedeutung dieser noch wenig bekannten Substanz und des Organs in dem sie entsteht. In zahlreichen Tierversuchen und daraus resultierenden wissenschaftlichen Arbeiten haben sie während mehr als dreißig Jahren die Wirkung dieses Hormons auf den Organismus, insbesondere seinen Einfluss auf das endokrine Drüsensystem, untersucht und dabei die erstaunlichsten Erkenntnisse gewonnen.

Die Zirbeldrüse: Epiphyse, Corpus pineale

Bis vor etwa drei Jahrzehnten nahm man an, die Zirbeldrüse habe keine besondere Bedeutung. Manche Wissenschafter glaubten, es handle sich um ein Organ aus den Anfängen der menschlichen Entwicklung, das durch die Evolution des Organismus überflüssig geworden war. Man wusste lediglich, dass sie bei manchen Tieren die Hautfarbe beeinflusst und nahm an, sie sei auch am Prozess der sexuellen Reifung beteiligt. Im Übrigen aber wurde der Zirbeldrüse eine eher "metaphysische" Bedeutung beigemessen. So vermutete Descartes (Renatus Cartesius, 1596-1650), der Begründer des Rationalismus und einer der Väter neuzeitlichen philosophischen Denkens, in ihr den Sitz der menschlichen Seele. Nach der traditionellen fernöstlichen Denkweise und in der indisch-taoistischen Chakra-Lehre stellt sie die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos her und beeinflusst damit direkt die spirituell-geistige Entwicklung.

Im Jahre 1958 isolierten die Forscher A.B. Lerner und J.D. Case erstmals eine von der Zirbeldrüse ausgeschiedene "geheimnisvolle" Substanz, die sie Melatonin (griechisch Melas = schwarz, tosos = Labor) nannten. Sie hatten festgestellt, dass diese Substanz bei Laborfröschen eine Veränderung der Hautpigmentzellen und damit ihrer Hautfarbe hervorrief. 1963 konnte erstmals nachgewiesen werden, dass Melatonin die Geschlechtsfunktion von Ratten beeinflussen kann. In der Folge wurde Melatonin als Hormon eingestuft. Für eine kleine Zahl ausgesuchter Wissenschafter begann damit eine äußerst interessante und spannende Entdeckungsreise auf einem Gebiet, das bis dahin von der Forschung relativ unberührt geblieben war.

Die wesentlichsten Forschungsergebnisse nach der Entdeckung des Melatonins können so zusammengefasst werden:

  • Die Melatoninproduktion der Zirbeldrüse unterliegt dem Einfluss des Lichts. Nachts, bei Dunkelheit, ist der Melatoninspiegel im Blut zehnmal so hoch wie bei Tag. Tagsüber finden sich im Blut nahezu keine Spuren von Melatonin, da es nach der nächtlichen Ausschüttung innerhalb weniger Stunden vollkommen zerlegt und verbraucht wird.
  • Wurde Melatonin Menschen verabreicht, wurden sie schläfrig, woraus man schloss, dass dieses Hormon bei der Kontrolle des Schlaf-Wach-Rhythmus eine wichtige Rolle spielt.
  • Man entdeckte, dass Kinder höhere Melatoninwerte aufwiesen als Erwachsene und dass der Melatoninanteil im Blutspiegel mit zunehmendem Alter drastisch abnimmt. Man nahm deshalb vorerst an, Melatonin sei hauptsächlich für das Wachstum zuständig und verliere nach dessen Abschluss seine Bedeutung.
  • Es wurde zudem festgestellt, dass Krebspatienten, chronisch Kranke und Menschen mit bestimmten "Alterskrankheiten", wie Parkinsonscher Krankheit oder Alzheimer Krankheit, typischerweise tiefste Melatoninwerte aufweisen.
  • Melatonin spielt im sexuellen Reifungsprozess, aber auch bei der Kontrolle der sexuellen Zyklen von Mann und Frau eine maßgebliche Rolle. Bei den Tieren bestimmt es zum Beispiel den Beginn und das Ende der Paarungszeit durch An-, bzw. Abschalten der entsprechenden Sexualhormonproduktion. Tierversuche habe eindeutig nachgewiesen, dass das Sexualverhalten von Ratten durch Veränderung des Tag-Nacht-Lichtzyklus beeinflusst werden kann.

Die Zirbeldrüse: "Der Regler aller Regler"

Den beiden Wissenschaftern Pierpaoli und Regelson, ihren Mitarbeitern, sowie zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in aller Welt ist es zu verdanken, dass uns heute wesentlich weiter reichende Erkenntnisse über die Bedeutung der Zirbeldrüse und ihres "Wunderhormons" Melatonin zur Verfügung stehen. Während mehr als drei Jahrzehnten intensiver Forschungen auf dem Gebiet des Alterns stießen sie immer wieder auf dieses Organ und sein Hormon und gelangten schließlich zu der Erkenntnis, dass es sich dabei um den "Regler aller Regler" handelt.

Die Zirbeldrüse "herrscht" während unseres ganzen Lebens über das gesamte endokrine Drüsensystem, das seinerseits Hormone produziert, die für alle unsere Körperfunktionen verantwortlich sind. Als "intelligente" Drüse die das Richtige zur richtigen Zeit tut, und zwar schnell und gründlich, steuert sie die Tätigkeiten aller anderen Drüsen und kontrolliert dadurch direkt die Tätigkeiten jeder einzelnen Körperzelle. Damit beeinflusst sie die unterschiedlichsten Funktionen, wie

  • das Wachstum und die körperliche Entwicklung,
  • die Fortpflanzung,
  • die Körpertemperaturkontrolle,
  • die Nierenfunktion,
  • den Schlaf-Wach-Rhythmus,
  • das Immunsystem,
  • die Kontrolle und Vernichtung so genannter "Stressoren" (Stress-auslösender Substanzen wie die in den Nebennieren produzierten Corticosteriode),
  • den Schutz der DNA in den Körperzellen vor Veränderungen durch Viren und Karzinogene (krebsauslösende Vektoren),
  • die Vernichtung so genannter "freier Radikale" (Moleküle mit einem freien Sauerstoffatom, die eine Schädigung der Zellmembran verursachen und Krebs hervorrufen können) als eines der wirksamsten "Antioxidanzien" und
  • die Energieerzeugung in den Zellen und den Energiefluss im ganzen Organismus durch die Umsetzung des Schilddrüsenhormons T4 zu T3, einer hochenergetischen Form der in der Schilddrüse produzierten Thyreoidhormone.

Melatonin ist ein "zustandsabhängiges" Hormon, das heißt, es wirkt indirekt auf alle Organe ein.

Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Spiegel der anderen Hormone zu regeln, den Ausgleich oder die Homöostase des Körpers aufrechtzuerhalten und somit den anderen Hormonen bei der Ausübung ihrer Funktion beizustehen. Bei wechselndem Melatoninspiegel werden bestimme Hormone unterbunden, andere gesteigert. Melatonin steuert die Hormonproduktion und stellt sicher, dass weder zu hohe noch zu tiefe Hormonspiegel entstehen.

Pierpaoli und Regelson haben bei ihren Untersuchungen ebenfalls festgestellt, dass ein normaler Melatoninspiegel auch dafür sorgt, dass das Immunsystem "feindliche Vektoren" und Erreger sofort und zielsicher entdeckt und vernichtet. Als eines der wirksamsten Antioxidanzien sorgt Melatonin außerdem für die Vernichtung "freier Radikale", von denen man weiß, dass sie zur Entstehung von Krebszellen führen können. Spezifische onkologische Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass Melatonin in der chemotherapeutischen Krebsbehandlung die krebsbekämpfende Wirkung bestimmter Medikamente verstärken und ihre zum Teil gefährlichen Nebenwirkungen auf ein verantwortbares Maß reduzieren kann.

Der wesentlichste Beitrag von Pierpaoli und Regelson scheint jedoch die Erkenntnis zu sein, dass die Zirbeldrüse mithilfe ihres Hormons Melatonin den Alterungsprozess steuert und die eigentliche, von der Wissenschaft lange gesuchte "Altersuhr" darstellt.

Die Zirbeldrüse: Die "Altersuhr"

Die Zirbeldrüse erreicht ihre Höchstleistung in der Melatoninproduktion während und kurz nach Abschluss der Pubertät. Bei den meisten Menschen werden spätestens nach Erreichen des 25. Lebensjahres sinkende Melatoninspiegel festgestellt. Mit zunehmendem Alter beginnt die Zirbeldrüse nach und nach zu versagen und bei Röntgenuntersuchungen älterer Menschen wurde festgestellt, dass sie oft Kalkablagerungen oder so genannten "Gehirnsand" aufweist. Man nimmt an, dass diese fortschreitende Verkalkung auch die Melatoninproduktion einschränkt und dadurch eine ganze Reihe von Fehlfunktionen des Organismus ausgelöst werden.

Während unseres ganzen Lebens ist die Zirbeldrüse ein regelrechtes Kraftwerk, das eine enorme Energiemenge abgibt und alle anderen Körpersysteme steuert, einstellt und überwacht. So erscheint es eigentlich nur logisch, dass sie mit der Zeit "ausbrennt" und Unregelmäßigkeiten in ihrer Funktion auftreten. Sie beginnt langsam zu schrumpfen - und verliert dabei viele ihrer Pinealocyten, jene Zellen, die Melatonin und andere wichtige Substanzen produzieren. Gleichzeitig beginnt auch unsere zweite innere Körperuhr, der suprachiasmatische Kern, der die Lichtsignale von der Netzhaut des Auges an die Zirbeldrüse weiterleitet, Zellen zu verlieren und büsst so seinen Einfluss auf die Zirbeldrüse ein.

Wenn die Funktion der Zirbeldrüse allmählich nachlässt, hört sie auch damit auf, wie bisher Melatonin in Umlauf zu bringen. Der Organismus verliert nach und nach Energie und kann sich nicht mehr so schnell an seine Umgebung anpassen. Die Steuerung des endokrinen Drüsensystems wird "unregelmäßig", Schlafstörungen machen sich bemerkbar, die Empfindlichkeit gegen Kälte und Hitze steigt an, Verdauung und Harnausscheidung lassen nach, das Immunsystem wird beeinträchtigt und der Körper wird anfälliger gegen Störungen von außen (Infektionen, Allergien, Entstehung von Krebszellen, usw.). Diese Verkettung von Störereignissen wird allgemein als Alterung oder Vergreisung bezeichnet.

Andere Zirbeldrüsensubstanzen

Heute weiß man, dass die Zirbeldrüse für die Produktion einer ganzen Reihe von Substanzen verantwortlich ist - Melatonin ist nur eine davon.

  • Melatonin, chemisch eine einfache Aminosäure, wird aus den Zirbeldrüsenausscheidungen Tryptophan, einer Aminosäure, und Serotonin, einem "Botenstoff" oder Neurotransmitter, synthetisiert. Serotonin ist nicht nur einer der Ausgangsstoffe für die Melatoninproduktion, sondern darüber hinaus verantwortlich für eine Vielfalt von Körperaktivitäten, wie Schlaf, reibungslose Muskelkontraktion und die Blutplättchenfunktion. Eine Überproduktion von Serotonin (und ein Mangel an Melatonin) ist für gewisse Arten von Depressionen und Gemütsstörungen verantwortlich. Bestimmte psychiatrische Medikamente, so genannte "Serotoninhemmer" senken den Serotoninspiegel und regen die Melatoninproduktion an.
  • Epithalamin, das erstmals von Wissenschaftern unter der Leitung von Vladimir Dilman am N.N. Petrov Forschungsinstitut für Onkologie (Lehre von den Geschwülsten und Tumoren) in St. Petersburg isoliert wurde. Seine Funktion scheint der des Melatonin sehr ähnlich zu sein. Man nimmt an, dass diese beiden Hormone synergetisch zusammenwirken, d.h., dass sie gegenseitig ihre Wirkung verstärken.
  • TRH (Thyrotropin-stimulierendes Hormon) kontrolliert die Energiezufuhr an die Körperzellen. Es unterstützt die Schilddrüsenfunktion und verbessert dadurch die Immunfunktion. Es wird auch zur Behandlung bei Depressionen angewendet.
  • Vasopressin hat mit der Steuerung des "Milcheinschusses" bei stillenden Müttern zu tun. Seine Ausschüttung wird, so scheint es, durch das Weinen des Säuglings ausgelöst.
  • Prolaktin regt die Milchproduktion der stillenden Mutter an. Als "bandeknüpfendes" Hormon trägt es dazu bei, den Säugling zu beruhigen und zu entspannen, sowie die Mutter zur Annahme und Verteidigung der Jungen anzuregen. Wird Prolaktin Menschen verabreicht, ruft es meist Gefühle von Frieden, Ruhe, Zufriedenheit und Zuneigung hervor. Während die Mutter Prolaktin ausschüttet, knüpft sie feste Bande zu ihrem Kind und erlebt die ersten Gefühle mütterlicher Liebe.