Hirndiabetes: Ist Alzheimer eine neue Form von Zuckerkrankheit? (2)

Hirndiabetes: Ist Alzheimer eine neue Form von Zuckerkrankheit? (2)

Heute schicke ich Ihnen den Teil 2 zum Thema: Ist eine Alzheimer eine Form von Diabetes? Nach allem, was man bisher weiß, scheint diese neue These richtig zu sein. Wichtig scheint mir deshalb darauf hinzuweisen, dass man Diabetes in den meisten Fällen mit richtiger Ernährung vermeiden kann. Und wenn die Theorie richtig ist, dass auch Alzheimer eine Form von Diabetes ist, dann liegt es sehr nahe, auch diese grauenhafte und scheinbar aussichtslose Krankheit über die richtige Ernährung zu vermeiden.

Noch einmal zur Erinnerung: 51 Prozent der Deutschen sind übergewichtig und haben ein erhöhtes Diabetesrisiko. Und eine zweite Feststellung: 2,6 Millionen Deutsche werden im Jahr 2050 an Alzheimer erkrankt sein.

Ich denke, es macht sehr viel Sinn, dieses Thema genauer anzuschauen.

Am Schluss geben wir auch noch Hinweise was man tun kann, um sich ein wenig gesünder zu ernähren. Unser Superfood und Essential Food könnten hilfreich sein. In der nächsten Ausgabe meines Gesundheitsbriefs werde ich Ihnen unter dem Titel " Nährstoffempfehlungen bei Gedächtnisstörungen und Konzentrationsproblemen" aufzeigen was man zusätzlich tun kann.

Alzheimer: Rätselhafte Ablagerungen

Bislang gelten sonderbare Eiweißablagerungen als Hauptursache der Alzheimer-Erkrankung (die Formulierung ist schon eigenartig: "Was verursacht die Ablagerungen" wäre die richtige Frage). Ihr Entdecker und Namensgeber Alois Alzheimer, ein deutscher Psychiater und Neuropathologe, beschrieb sie erstmals vor mehr als hundert Jahren. Er entdeckte im Gehirn verstorbener Patienten scheinbar normale Gehirnzellen, die mit seltsamen faserigen Strukturen gefüllt waren; diese Fibrillen hatten sich in Bereichen, in denen die Krankheit weit fortgeschritten war, miteinander verbunden und an die Oberfläche der Zelle bewegt, wo sie sich ineinander verknäulten. „Schließlich zerfallen Zellkern und Zelle, und nur ein Knäuel aus Fibrillen erinnert an die Stelle, die vorher von einer Ganglienzelle eingenommen worden war", schrieb er. Forscher verstehen bis heute nicht genau, wie diese sogenannten Beta-Amyloid-Ablagerungen entstehen. Beta-Amyloid ist Teil eines größeren Eiweißes, das für die Bildung von Zellmembranen im Gehirn und in anderen Körperregionen wichtig ist. Vermutlich besitzt es noch weitere Funktionen - es kann Mikroben bekämpfen, Cholesterin transportieren und die Aktivität bestimmter Gene regulieren. Warum sich das Protein zu den tödlichen Ablagerungen, Plaques genannt, zusammenklumpt, ist noch immer ein Rätsel. Falls die Diabetes-These stimmt, könnte eine Insulinresistenz der Auslöser sein.

Der neue Fokus ergibt sich nicht zuletzt aus neuen Erkenntnissen über die Rolle des Insulins im Gehirn. Bis vor kurzem galt das Hormon vornehmlich als Blutzuckerregulator, der Muskel-, Leber-und Fettzellen signalisiert, wann sie Zucker aus dem Blut ziehen müssen, um diesen entweder als Energie zu verwerten oder als Fett zu speichern. Inzwischen ist klar, dass Insulin auch im Kopf ein Spezialist für Multitasking ist: Es hilft Nervenzellen - vor allem in Hippocampus und frontalen Hirnlappen -, Energie in Form von Glukose aufzunehmen, und es reguliert Botenstoffe, die für Gedächtnis und Lernen essentiell sind. Darüber hinaus fördert es die Plastizität der Nervenzellen - so nennen Forscher die Fähigkeit von Neuronen, ihre Form zu verändern, neue Verbindungen zu knüpfen und Kontakte zu verstärken. Nicht zuletzt ist Insulin wichtig für Funktion und Wachstum der Blutgefäße.

Eine verminderte Konzentration des Hormons im Gehirn kann die geistige Leistung sofort beeinträchtigen.

Vor allem das räumliche Gedächtnis scheint zu leiden, wenn Forscher die Insulinaufnahme im Hippocampus unterbrechen; die Wirkung entspricht Psychiater McNay zufolge beinahe der von Morphium. Im umgekehrten Fall kann ein Anstieg der Insulinkonzentration die Funktionsfähigkeit des Gehirns verbessern.

„Das ist evolutionär auch sinnvoll", erläutert McNay. Wenn sich die Vorfahren des Menschen in der Savanne den Bauch mit Beeren vollschlugen, signalisierte der Anstieg von Glukose und Insulin im Blut: „Erinnere dich an diese Stelle, die ist wichtig." Heute wissen Ärzte längst: Prozesse, die sich einst als sinnvolle Überlebensstrategien entwickelt haben, kehren sich in der modernen Welt nun ins Negative. Fette und zuckerreiche Nahrungsmittel lassen den Insulinspiegel im Stakkato in die Höhe schnellen, so lange, bis er gar nicht mehr sinkt. Muskel-, Leber- und Fettzellen sind irgendwann derart überreizt, dass sie die Folgschaft verweigern und keine Glukose und kein Fett mehr aus dem Blut aufnehmen. Die Folge: Die Bauchspeicheldrüse leistet verzweifelt Überstunden, um mehr Insulin zu produzieren und den Blutzucker unter Kontrolle zu bekommen. Die Konzentration beider Substanzen steigt und steigt. „Das ist, als ob Sie an eine Tür klopfen, und die Person hinter der Tür reagiert nicht. Also klopfen Sie lauter und lauter", sagt die Neuropathologin de la Monte. Die Bauchspeicheldrüse kann o mit dem grenzenlosen Bedarf irgendwann nicht Schritt halten und stellt die Hormonproduktion ein. Menschen mit Typ-2- Diabetes haben deshalb einen abnorm niedrigen Insulinspiegel.

Erbe der Vergangenheit

Übergewicht verstärkt das Problem offenbar noch - 80 Prozent der Menschen mit Typ-2-Diabetes sind zu schwer oder fettleibig. Obwohl der Mechanismus noch unklar ist, scheint Fettleibigkeit aus Leber-und Fettzellen Moleküle freizusetzen, die für Entzündungen und Stoffwechselstress typisch sind; dieser Prozess unterbricht den Signalweg für Insulin und fördert die Insulinresistenz. Wenn McNay und de la Monte richtigliegen, führt ein ähnlicher Prozess zur Alzheimer-Demenz. Das viele Fett und der viele Zucker in westlichem Essen überwältigen das Gehirn und versetzen es in Daueralarm - ein Zustand, der nicht ewig währen kann. Entweder parallel zum übrigen Körper oder unabhängig davon beginnt das Gehirn dann, seine Insulinsignalketten abzuschalten. Das beeinträchtigt zuerst die Fähigkeit zu denken und sich an einzelne Dinge zu erinnern. Später werden die Neuronen irreversibel geschädigt.

„Ich glaube, es beginnt mit einer Insulinresistenz", sagt de la Monte. Ihre Versuche mit dementen Ratten gehören zu den ersten Experimenten, die diese Verbindung herstellen konnten. Damals interessierte de la Monte sich für die Auswirkung von Alkohol auf das Gehirn. Alkohol verringert bekanntermaßen die Zahl der Insulinrezeptoren. Um die Konsequenzen zu erforschen, eliminierte sie mit einer Chemikalie alle Gehirnzellen mit Insulinrezeptoren. Das Ergebnis ähnelte der Alzheimer-Erkrankung, einschließlich der tödlichen Beta-Amyloid-Plaques.

Auch Ratten ohne Orientierung

Die Entdeckung von de la Monte ist nur eine von vielen, die den Zusammenhang zwischen einem unterbrochenen Insulinsignalweg und den Symptomen der Alzheimer-Erkrankung bestätigen. William Klein von der Northwestern University in Evanston, Illinois, hat etwa Folgendes herausgefunden: Löst man bei Kaninchen Diabetes aus, erzeugt man auch Alzheimer-ähnliche Veränderungen im Gehirn der Tiere - unter anderem einen deutlichen Anstieg der Konzentration von BetaAmyloid (The Journal of Alzheimer's Disease, doi.org/jkr). McNay und die Verhaltensforscherin Suzanne Craft von der University of Washington in Seattle haben zwölf Monate lang Ratten mit fettreicher Nahrung gefüttert. Das viele Fett zerstörte die Fähigkeit der Tiere, ihren Insulinhaushalt zu regulieren. Die Folge: Diabetes. Wieder ließen sich parallel zu diesen Veränderungen hohe Beta-Amyloid-Konzentrationen im Gehirn nachweisen. Auch diese Ratten hatten Probleme, sich im Labyrinth zurechtzufinden, und erschienen „Alzheimer-Patienten sehr ähnlich", erklärt McNay.

Klar können Tierversuche nur zum Teil über eine menschliche Krankheit Auskunft geben. Wie aber ein fast frankensteinartiges Experiment gezeigt hat, ist das Gehirn von Alzheimer-Patienten tatsächlich unempfindlich für Insulin - sogar über den Tod hinaus. Der Psychiater Steven Arnold von der University of Pennsylvania hat Hirngewebeproben von verstorbenen Alzheimer-Kranken und Menschen ohne Demenz in Insulin getaucht. Das Gehirn der Verstorbenen ohne Erkrankung schien regelrecht wiederbelebt: Das Hormon löste hier eine Kaskade chemischer Reaktionen aus, alles Anzeichen für synaptische Aktivität. Im Gegensatz dazu reagierten die Neuronen der Alzheimer-Patienten fast gar nicht (Journal of Clinical Investigations, doi.org/jkj). „Die Insulinsignalkette war lahmgelegt", sagt Arnold.

90 000 € kostet die Betreuung eines Alzheimer-Patienten - pro Jahr.

Die Wissenschaftler verstehen noch nicht genau, warum ein Abbruch in der Insulinsignalkette zu Schäden führt, die mit Alzheimer in Verbindung stehen, die Bildung von Plaques etwa. Die aktuelle Forschung lässt aber viele, vielleicht miteinander verknüpfte Mechanismen vermuten. Eine wichtige Erkenntnis: Sowohl Insulin als auch Beta-Amyloid werden von dem gleichen Enzym abgebaut. Unter normalen Umständen kann es erfolgreich mit beiden fertig werden, aber wenn es zu viel Insulin zerlegen muss, bleibt immer mehr Beta-Amyloid übrig. Es häuft sich an und führt zu den Ablagerungen, die Gehirnzellen töten können (PNAS, doi.org/crvzht).

Dieses Problem verschärft sich, denn das Beta-Amyloid hindert die Nervenzellen daran, auf das Insulin zu antworten Als Neurobiologe Klein Schnitte von Rattenneuronen untersuchte, konnte er sehen: Das Protein vergiftet jene Bereiche an den Enden der Nervenzellen, die von Insulinrezeptoren bedeckt sind. Es verhindert auch die Neubildung von Rezeptoren (FASEB Journal, doi.org/d48hw6). Die Fähigkeit zu denken vermindert sich in dieser Situation sofort. Aber damit nicht genug: Die Insulinresistenz signalisiert den Zellen, noch mehr Beta-Amyloid zu produzieren, das dann noch mehr Gehirnzellen schädigt. „So entsteht ein Teufelskreis", sagt Klein.

Die Lage wird schlimmer, wenn der Bauchspeicheldrüse die Puste ausgeht und der Hormonspiegel im Gehirn wieder sinkt. Ein moderater Insulinspiegel schützt, weil er die Bindungsstellen für das Beta-Amyloid auf den Gehirnzellen blockiert. „Aber wenn Menschen altern oder Diabetes haben, wird der Insulinsignalweg im Gehirn schwächer und bietet möglicherweise dem Beta-AmyloidToxin eine Chance, mit der Zerstörung der Neuronen zu beginnen", so Klein.

Diese Forschung steht noch ganz am Anfang, längst ist nicht jeder Aspekt des Rätsels geklärt. Klein zufolge könnte die Insulinresistenz im Gehirn nur einer von sehr vielen Auslösern für die Bildung des Beta-Amyloids sein; er sucht deshalb nach weiteren Verdächtigen. Verhaltensforscherin Craft, eine Vorreiterin der Forschung über Insulin und Alzheimer, glaubt ebenfalls, dass viele Wege zu dieser Erkrankung führen. Schließlich haben viele Leute mit Alzheimer keinen voll ausgeprägten Typ-2-Diabetes.

8 Prozent der Deutschen sind an Diabetes erkrankt und haben eine erhöhtes Risiko für Alzheimer.

Immer mehr Alzheimer-Kranke?

Dennoch ist eine Warnung angebracht: Der Konsum von Fast Food treibt die Zahl der Typ-2-Diabetes-Fälle hoch. Allein in Deutschland haben acht Prozent der Erwachsenen, also sechs Millionen Bürger, schon einmal Probleme mit dem Blutzucker gehabt, die Tendenz ist steigend. Wie viele Menschen schon erste Symptome einer Insulinresistenz haben (einen „Prädiabetes"), wird derzeit untersucht. Und wenn Alzheimer und Typ-2-Diabetes durch einen ähnlichen Mechanismus entstehen, wird die Zahl der Demenzkranken zunehmen, wenn diese Menschen altern - selbst wenn sie nicht voll an Diabetes erkranken.

Außerdem könnte schon schlechte Ernährung zu degenerativen Veränderungen im Gehirn führen, zumindest lässt eine aktuelle Studie von Craft dies vermuten: Einen Monat lang aßen sich Freiwillige ohne Diabetes an Nahrungsmitteln satt, die reich an gesättigten Fetten und Zucker waren; die Kontrollgruppe ernährte sich zucker- und fettarm. In nur vier Wochen hatten die Probanden mit der fettreichen und süßen Diät einen höheren Insulinspiegel und signifikant höhere Beta-Amyloid-Konzentrationen in ihrer Rückenmarksflüssigkeit. In der Kontrollgruppe nahmen beide Parameter ab. „Eine ungesunde Ernährung stört die normale Insulinfunktion im Gehirn, verschlimmert Entzündungen und oxidativen Stress und beeinträchtigt die Amyloid-Regulation", sagt Craft. „Wenn alle drei Mechanismen zusammenkommen, können sie zur Alzheimer-Erkrankung führen." Fettleibigkeit stellt sowohl für Diabetes als auch für Demenz einen hohen Risikofaktor dar. Damit weist alles darauf hin, dass die Sucht der Menschen nach Fast Food ihre geistige Gesundheit gefährdet.

Verstünden die Forscher die Krankheit besser, könnten sie völlig neue Therapiemöglichkeiten für all jene Menschen entwickeln, die schon an Alzheimer-Demenz leiden. Craft zum Beispiel untersucht, ob ein Insulinanstieg die Symptome verbessert. Sie hat dazu ein Insulin-Nasenspray getestet. Von der Nase aus gelangt das Hormon ins Gehirn. Die Studie dauerte nur vier Monate und umfasste nur 104 Menschen, die Ergebnisse aber sind beeindruckend. In Gedächtnistests erinnerten sich die behandelten Personen an mehr Details von Geschichten, zeigten längere Aufmerksamkeitsspannen und mehr Interesse für ihre Hobbys als eine Vergleichsgruppe; sie konnten auch besser für sich selbst sorgen. Der Glukosestoffwechsel in ihrem Gehirn verbesserte sich ebenfalls (Archives of Neurology, doi.org/cv9jhc).

Prinzip Eigenverantwortung und Vorbeugung über die Ernährung

Im Grunde kann jeder vorsorgen und das Risiko für eine Alzheimer-Demenz senken: Es nützt wohl schon, auf fettige und süße Nahrungsmittel zu verzichten. Auch Bewegung hilft im Kampf gegen Insulinresistenz - regelmäßiger Sport senkt das Risiko für Alzheimer um 40 Prozent (Annals of Internal Medicine, Band 144, Seite 73). „Selbst wenn Sie 200 Kilo wiegen oder lange Diabetes haben, ist es nicht zu spät. Jeder kann etwas Insulinsensitivität zurückgewinnen und das Amyloid stoppen", versichert McNay. „Möglicherweise können sogar einige der Plaques wieder abgebaut werden."