Warnungen vor der Anwendung von Schmerzmitteln im Freizeitsport

Die Verwendung von Schmerzmitteln ist grundsätzlich kritisch zu sehen, wenn sie über lange Zeiträume erfolgt. Jetzt bekam ich eine Meldung, dass es im Freizeitsport inzwischen üblich geworden ist, solche Schmerzmittel wie Aspirin, Ibuprofen oder Paracetamol schon vorbeugend zu nehmen: Man glaubt, sich damit vor möglichen Schmerzen zu schützen und seine Leistungen steigern zu können.

Ich dachte, ich sollte Ihnen die Nachricht nicht vorenthalten.

Die Anwendung von Schmerzmitteln im Freizeitsport

Überraschend viele Ausdauersportler schlucken vor dem Wettkampf Schmerzmittel, oft sogar nur als Prophylaxe gegen Schmerzen in den Knien oder Krämpfen in der Wade. Für Herz, Magen-Darm und Nieren kann das schwere Folgen haben - und sogar zum Tod führen.

Leistung muss wohl sein: Heutzutage wird kaum etwas zur Entspannung oder Erholung getan, schon gar nicht im Freizeitsport. Die einen wollen mit den Jungen mithalten, weil sie ihr Alter nicht akzeptieren können. Die anderen brauchen eine Herausforderung, weil sie das Bürodasein nicht auslastet. Und wo man im Job sowieso auf Turbo getrimmt ist, muss es im Sport auch gleich bis an die Grenzen gehen.

Und so ist es kein Wunder, was eine Online-Befragung der Universität Nürnberg-Erlangen unter den Teilnehmern des Bonn-Marathons 2011 zutage förderte: Von rund 4000 Läufern hatte mehr als die Hälfte schon vor dem Wettkampf Schmerzmittel eingenommen.

Knapp zehn Prozent der Pillenschlucker entwickelten Krämpfe vor allem im Magen-Darm-Bereich, hatten nach dem Lauf Blut im Urin oder im Stuhl, oder hatten Herz-Kreislauf-Beschwerden bis hin zu Herzarrhythmien. Zehn Teilnehmer mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die meisten hatten die Medikamente vorsorglich eingeworfen, aus Angst vor Schmerzen während des Laufs, oder danach, gegen Muskelkater, Kreuz-, Hüft- oder Knieweh.

Warnungen vor massiven Nebenwirkungen

Alle diese Begleiterscheinungen der Einnahme von Schmerzmitteln sind Grund genug für den Erlanger Pharmakologieprofessor Kay Brune, vor den massiven Nebenwirkungen von Schmerzmitteln im Sport zu warnen. Nach der systematischen Auswertung der Datenlage zu diesem Thema kam der Pharmakologe gemeinsam mit seinen Kollegen in einer Übersichtsarbeit zu einem alarmierenden Fazit:

Schmerzmittel einzunehmen, um eine körperliche Anstrengung überhaupt durchzustehen, sei "ein meist sinnloses, aber potentiell gefährliches Vorgehen."

Insbesondere jene Schmerzmittel, die länger im Körper wirken, sind gefährlich. Sie können die Nierenfunktion, die Blutgerinnung und die Darmtätigkeit noch für Tage nach der Einnahme beeinträchtigen.

"Ausdauersport belastet den Organismus erheblich", sagt Ernst Jakob, Chefarzt für Innere Medizin an der Sportklinik Hellersen in Lüdenscheid. "Bekannt ist, dass jede intensive sportliche Betätigung zur Minderdurchblutung des Magen-Darm-Trakts und der Nieren führt, und sie so zumindest beeinträchtigt." Der Grund: Die Muskeln brauchen viel Sauerstoff und zweigen ihn aus den inneren Organen ab, wo er dann fehlt. "Bei allen Laufsportarten werden die inneren Organe zudem heftig gestoßen und geschüttelt, wodurch sie Schaden nehmen und es zu Blutungen kommen kann", erklärt Jakob. Deshalb führe ein Marathonlauf bei zahlreichen Sportlern zu Blut im Stuhl.

Zudem wird die Darmwand durchlässiger, wodurch giftige Substanzen, die von den Darmbakterien stammen, in den Blutkreislauf eindringen und dort unter Umständen lebensgefährliche Infektionen und Blutungen hervorrufen können. "Schmerzmittel", warnt Jakob, "verstärken diesen Effekt."

Wenn das Blut zu dünn wird

Auch Jakobs Studien mit leistungsorientierten Freizeittriathleten haben ergeben, dass rund 54 Prozent Schmerzmittel im Training und vor dem Wettkampf schlucken. Erhebungen zeigen aber, dass auch 60 Prozent der Normalbevölkerung gelegentlich auf Schmerzmittel zurückgreifen.

Insbesondere von dem Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) sollten aktive Sportler die Finger lassen: "Der Darm verliert seine Barrierefunktion", sagt Brune. Neben möglichen Magen-Darm- und Nierenschäden wird die Blutungsneigung über Tage hinweg verstärkt. Das kann bei einer notwendigen OP nach einem Sturz zum Problem werden. Das gilt genauso für Kombinationsschmerzmittel, die neben ASS auch Paracetamol und Koffein enthalten, wie etwa Thomapyrin. Bei Sportlern mit vorgeschädigten Atemwegen kann ASS zudem asthmatische Anfälle provozieren.

Brune warnt zudem vor einem besonders unerwünschten Nebeneffekt: Wer Schmerzmittel vor dem Wettkampf schluckt, könne zusätzlich Elektrolytstörungen entwickeln. Gefährlich ist etwa die sogenannte Hyponatriämie. Durch das ständige Trinken fällt der Natriumspiegel im Blut gefährlich ab, dem Körper fehlt also Salz. Das kann zu neurologischen Störungen wie Desorientierung und epileptischen Anfällen führen, im schlimmsten Fall zu einem Hirnödem und zum Tod.

Auch Paracetamol, ein Mittel, auf das viele Sportler schwören, weil es angeblich beim Muskelaufbau hilft, wirkt nach Ansicht der Pharmakologen bei Gelenk- und Muskelschmerzen nur schlecht. Oft werde von Ausdauersportlern die erlaubte Tagesmenge von vier Gramm überschritten. Dann nimmt die Leber Schaden, ab einer Dosis von mehr als sechs Gramm kann es zu einem tödlichen Leberversagen kommen.

Muskelschäden werden nicht verhindert

Ebenso helfen die schmerz- und entzündungshemmenden Medikamente Diclofenac und Ibuprofen während der Anstrengung nur mäßig und verhindern nach dem Wettkampf Muskel- und Gelenkschmerzen nicht zuverlässig. Zudem können sie während des Sports Niere sowie Magen-Darm-Trakt schädigen. Die Muskelschäden würden jedoch nicht verhindert.

Was aber tun, wenn man auf Sport nicht verzichten möchte und trotzdem Schmerzen hat? "Regelmäßige körperliche Betätigung ist der beste Schutz vor Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Alzheimer", betonen die Erlanger Wissenschaftler. "Also, Sport ja."

"Schmerzen weisen auf auf eine Überbelastung hin", sagt Brune. "Man sollte deshalb darauf hören, was einem der Körper sagt und nur so viel Sport treiben, wie man schmerzmittelfrei verkraftet."