Worüber ich mich heute aufrege: Stellungnahme der Heilpraktiker-Verbände zur EU-Richtlinie THMPD

Worüber ich mich heute aufrege: Stellungnahme der Heilpraktiker-Verbände zur EU-Richtlinie THMPD

Wir leben in aufregenden Zeiten. Oder sollte ich besser schreiben: Wir leben in Zeiten, in denen man sich aufregen könnte? Es mag nicht für alle Mitmenschen in gleichem Maße  aufregend sein, wenn die Politik – national als auch international – immer neue Schritte unternimmt, unsere gesundheitliche Selbstbestimmung zu untergraben. In den letzten Tagen hatte ich zur Unterschrift unter die Petition gegen die EU-Richtlinie THMPD aufgerufen. Nach letztem Stand sind wohl mehr als 121.000 Unterschriften zusammen gekommen. Wie ich meine eine sehr bedeutende Zahl und wohl die größte Anzahl von Unterschriften, die je unter vergleichbare Petitionen gesetzt wurden. Was auch immer jetzt geschieht und wie gut auch immer der Petent auf die erforderliche öffentliche Anhörung vorbereitet ist: Eigentlich sollten unsere Volksvertreter eines verstehen: Wir lassen uns nicht mehr alles gefallen! Wir wollen über unser Leben und unsere Gesundheit selbst bestimmen! Wir sind freie Menschen!

Ich bekam viele Emails von Heilpraktikern, die mir Panikmache unterstellt haben. Denn parallel zu den Aufrufen zur Mitzeichnung sind verschiedene Emails der Heilpraktikerverbände im Netz kursiert.

Und wenn ich von Dingen schreibe, über die ich mich aufrege, dann gehören diese Emails der Verbände ganz eindeutig zuerst genannt. Um es deutlich zu sagen: Wir brauchen keine Verbände, die nichts anderes im Sinn haben als uns die geltende Gesetzeslage zu interpretieren und die bei jeder Verschärfung der Gesetze stillschweigend mitmachen statt die Interessen der Bürger zu vertreten und im Vorfeld der Gesetzgebung so mitzuwirken, dass diese Verschärfungen verhindert werden.

Wenn diese Verbände behaupten, dass Nahrungsergänzungen Zusatzstoffe sind, frage ich mich, was diese Vertreter umtreibt und wo sie was gelernt haben:

Seit wann sind Vitamine oder Pflanzenextrakte Zusatzstoffen gleichgestellt, auf einer Stufe also mit Emulgatoren, Farbstoffen, Schmelzsalzen oder Verdickungsmitteln? Mit Zusatzstoffen also, die immer öfter als krankheitserregend genannt werden?

Wir haben in Deutschland eines der weltweit schlimmsten Arzneimittelgesetze der Welt. Wir haben von den Heilpraktikerverbänden nichts gelesen, als die EU sich angeschickt hat, den Markt der Nahrungsergänzungsmittel mit unglaublichen Beschränkungen zu regulieren. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Heilpraktikerverbände warnend ihre Stimme erhoben hätten, als die Regulierung der Heilpflanzen diskutiert wurde. Und auch aus der jüngsten Zeit kenne ich keine Stellungnahme der Verbände der Heilpraktiker zu den geplanten Änderungen des LFBG. Ich kann nichts anderes erkennen, als dass diese Verbände offensichtlich damit einverstanden sind, dass die Pharmaindustrie dahingehend unterstützt wird, weitere Bereiche der Naturheilkunde  durch Regulierungen zu strangulieren.

Ich möchte daran erinnern, dass der Codex alimentarius letztlich auch ein Verbot der Heilberatung beabsichtigt. Wahrscheinlich werden diese Verbände dann, wenn die Zeit gekommen ist, mit Bedauern die Achseln zucken und versuchen uns zu erklären, dass ja alles nach Recht und Ordnung geregelt ist.

Wenn ich persönlich Mitglied eines Heilpraktikerverbandes wäre, würde ich meinen Verband jetzt befragen, wann er denn gedenkt, den Schmusekurs zu beenden und endlich anfängt, die Interessen der Mitglieder und die Interessen der Heilung suchenden Bevölkerung zu vertreten. Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die Heilpraktiker vielleicht noch eine Weile lang die Präparate der Pharmas verordnen dürfen (sofern es denn welche gibt, die eine nebenwirkungsfreie Behandlung ermöglichen). Ich würde meinem Verband die Frage stellen, wo denn in Zukunft der Unterschied zwischen einem Naturheilpraktiker und einem Arzt bestehen soll, wenn alle Heilberufler nur noch die gleichen Präparate zur Verfügung haben? Sehen sie die Entwicklung nicht? Sie ist doch an einem Finger ablesbar, ich brauche dazu keine zehn Finger. Man könnte meinen – das ist allerdings nicht beweisbar aber eine sehr naheliegende Vermutung – dass die Heilpraktikerverbände mittlerweile von den Pharmas instrumentalisiert werden. Man könnte sich fragen, ob es nicht erforderlich wäre, einen wirklich unabhängigen Verband der Naturheilpraktiker zu gründen.  

Und jetzt der Brief vom Fachverband Deutscher Heilpraktiker

Da ich zur Unterschrift zur Petition gegen die EU-Richtlinie THMPD aufgerufen habe, möchte ich Ihnen das nachfolgende Schreiben nicht vorenthalten: Als Reaktion auf laufende Mailaktionen zum LFBG und zum Aufruf der Petition gegen die EU-Richtlinien für traditionelle Pflanzenpräparate (THMPD), nimmt Arne Krüger, der stellvertretende Sprecher der Arzneimittelkommission der deutschen Heilpraktiker, wie folgt Stellung:

Zulassungspflicht für Nahrungsergänzungsmittel

Nach deutschem Recht waren Zusatzstoffe in Lebensmitteln zulassungspflichtig und in Kombination mit dem Verbot vor schädlichen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln stellte dies einen Schutz des Verbrauchers vor in der Dosierung möglicherweise problematischen Zusatzstoffen dar. Dies galt auch für Nahrungsergänzungsmittel. Darüber hinaus konnten z.B. Vitamine und Mineralstoffe als Arzneimittel oder als Medizinprodukte zugelassen werden und damit auch durch den Heilpraktiker ordnungsgemäß verordnet werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil vom 25. Juli 2007 (BVerwG 3 C 21.06) festgestellt, dass ein bestimmter Pflanzenextrakt aus Traubenkernen als charakteristische Zutat eines im wesentlichen hieraus bestehenden Nahrungsergänzungsmittels einzustufen sei und deshalb nicht einer vorherigen Zulassung als ein den Zusatzstoffen nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches bedürfe. Diese unklare Rechtssituation soll durch eine Neufassung dieses Gesetzes derzeit klar gestellt werden.

Mit diesem Gesetz soll im Interesse des vorbeugenden Gesundheitsschutzes klargestellt werden, dass derartige Stoffe der Zulassungspflicht unterliegen.

Wenn nun seitens der Lebensmittelindustrie bzw. der Hersteller der Nahrungsergänzungsmittel die Sorge verbreitet wird, das hier die tradierten und bewährten Anwendungen gefährdet seien, muss beachtet werden, dass es sich um eine gerichtliche Auslegung des Gesetzes seit 2007 handelt, also sicher nicht um eine langjährige Tradition.

Es ist aber so, dass auch nach der Neufassung des Gesetzes alle Nahrungsergänzungsmittel die kein Gesundheitsrisiko haben als Zusatzstoffe zugelassen werden können. Vitamine, Mineralstoffe o.ä. in Arzneimitteln und Medizinprodukten werden durch diese Gesetzesregelung nicht betroffen.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Heilpraktiker ist bei der Prüfung des Gesetzes eingebunden und wird im Falle einer Relevanz für den Heilpraktikerberuf auch Stellung beziehen.

Europäische Richtlinie für traditionelle Pflanzenpräparate

Die EU-Richtlinie zu traditionellen Pflanzenpräparaten ( THMPD 2004/24/EG ), die schon seit vielen Jahren in den europäischen Ländern umgesetzt wird und bis 2011 endgültig wirksam wird, ist in Deutschland seit vielen Jahren umgesetzt und wirksam.

Dazu ist festzustellen, die Europäische Richtlinie keine aktuelle Brisanz hat, sondern alt ist. Es gibt inzwischen die deutsche und die europäische Registrierung für traditionelle Pflanzenpräparate und diese hat sich bewährt. Alle Pflanzenpräparate mit einem Wirksamkeitsnachweis und dem Anspruch auf Indikationen müssen zugelassen werden. Bei den Zulassungsverfahren sind auch die Vertreter der Arzneimittelkommission in der Zulassungskommission E eingebunden.

Die Begrenzung bei der Mischung von Pflanzenpräparaten, Vitaminen und Mineralstoffen in einem Arzneimittel hat ja durchaus Sinn, denn eine therapeutische Gabe unterscheidet sich doch von der Substitution von Vitaminen und Mineralstoffen.

Die Verordnung von einzelnen Pflanzendrogen ( mit Positiv- oder Nullmonographie ) bleibt unverändert und wird in Deutschland auch nicht eingeschränkt.

Die ganze Diskussion ist übrigens eine alte Diskussion, da die Richtlinie aus dem Jahr 2004 ist und schon damals waren Arzneimittelkommission und die Heilpraktikerverbände involviert und haben gerade auf die traditionelle Registrierung der Pflanzenpräparate Einfluss genommen.

Alles was eine “jahrhundertalte oder jahrtausendalte” Tradition ist, hat doch die Registrierungsmöglichkeit, denn es müssen doch nur 30 Jahre Anwendung da sein.

Arne Krüger
Stellv. Sprecher der
Arzneimittelkommission der deutschen Heilpraktiker
Heilpraktiker & Tierarzt
Fachverband Deutscher Heilpraktiker – 2.Vizepräsident
& Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg
[Quelle: www.ddh-online.de]

Nachtrag und Klarstellung

Um es noch einmal deutlich zu machen: Der Gesetzgeber ist mit der Idee, OPC aus Traubenkernextrakt zu verbieten, vor dem Oberverwaltungsgericht gescheitert. Die bestehenden Gesetze reichen also nicht aus, OPC zu verbieten. Also soll das Gesetz geändert werden, damit man OPC verbieten kann.

In diese Kategorie von Pflanzenextrakten gehören dann konsequenterweise auch Lutein, Lycopin, Quercetin und Resveratrol. Und um diese Stoffe nicht namentlich zu verbieten, sollen gleich alle Nahrungsergänzungsmittel als Zusatzstoffe deklariert werden. Man kann ja nicht wissen, welche Stoffe man morgen oder übermorgen verbieten möchte ...

Der Heilpraktikerverband - namentlich Herr Arne Krüger - findet es in Ordnung, dass diese Stoffe verboten werden sollen. Eine unglaubliche Geschichte. Ich rate den Heilpraktikern unter Ihnen, liebe Leser, doch gelegentlich auch die Gesetze selbst zu lsen, bevor Sie glauben, dass Ihr Verband schon das richtige tun wird. Ich versorge Sie gern mit Material und Links zum Nachprüfen. Eine Email genügt.