Die Heilkraft von Vitamin D (3)

Heute folgt Teil 3 unserer Serie zu Vitamin D. Heute geht es um die Auswirkungen von Sonnenentzug, den Schutz vor Rachitis und robuste Knochen. Der Aufsatz enthält auch einige kritische Bemerkungen zu den sträflich niedrigen Empfehlungen der DGE. In den heutigen Ausführungen - so scheint es mir - ist  vielleicht der Grund zu finden, weshalb wir heute im Gesundheitswesen viel Geld ausgeben müssen, um im Alter "Ersatzknochen" erhalten zu können. Dabei wäre ausreichende und regelmäßige Vorsorge erstens billiger und zweitens mit weniger Schmerzen ohne Verzicht auf Lebensqualität möglich.

Die beiden ersten Folgen dieser Serie finden Sie übrigens im Archiv der Gesundheitsbriefe auf unseren Internetseiten:

Wie Vitamin D vor Herzinfarkt , Krebs und anderen Zivilisationskrankheiten schützt (1)          

Wie Vitamin D vor Herzinfarkt , Krebs und anderen Zivilisationskrankheiten schützt (2)

Das Drama vom Sonnenentzug

Albert Szent-Györgyi, Entdecker des Vitamin C und Nobelpreisträger, sagte einmal: „Alles Leben der Erde kommt vom Licht der Sonne.“ Schade, dass wir modernen Menschen uns jeden Tag freiwillig des Sonnenlichts berauben. Millionen von Jahren in der menschlichen Entwicklung waren Ernährung und Bewegung im Freien (jagen und sammeln) untrennbar verbunden. Inzwischen leben wir weitgehend bewegungsfrei in geschlossenen Räumen. Nur ist unsere Genetik nicht darauf eingerichtet, ohne Sonnenlicht zu überleben.

Worm schreibt dazu: „Dem Sonnenraub mit unserem Indoor-Dasein und unserer korrekten Kleidung in unserem Outdoor-Leben können die wenigsten entgehen. Die meisten Arbeitnehmer hätten höchstens in der Früh oder am Abend Zeit für körperliche Aktivität im Freien. Dann ist es für unser Thema zu dunkel ... Und wenn wir es am Wochenende tatsächlich einmal schaffen, uns einem Sonnenbad hinzugeben, müssen wir uns gesundheitsbewusst gleich ganz dick eincremen. Schließlich wird den Menschen von undifferenzierten „Fachleuten“ ständig eingetrichtert, dass Sonnenlicht ganz furchtbar schädlich ist, und dass wir uns nur durch konsequente Nutzung von Sonnenschutz mit ganz hohem Lichtschutzfaktor vor fürchterlichen Konsequenzen retten können.“

Rund 1 Milliarde Menschen leidet heute unter Vitamin-D-Mangel

Noch streiten sich Experten über eine optimale Vitamin-D-Versorgung. Am häufigsten geben sie inzwischen einen Bereich zwischen 40 und 90 ng/ml als bestmöglichen Blutspiegel an. Blutkonzentrationen zwischen 20 und 30 ng/ml gelten als unzureichend und Werte darunter als Mangel. Die Ernährungswissenschaftlerin Birte Hinzpeter führte von 2005 bis 2008 am Robert-Koch-Institut Berlin ihre Doktorarbeit zu diesem Thema durch. Sie zeigte darin erstmalig für Deutschland auf, wie hoch der Bevölkerungsanteil mit unzureichendem Vitamin-D-Spiegel liegt und welche Risikogruppen besonders betroffen sind.

Zitat: „Die Ergebnisse sprechen für sich: Im Jahresdurchschnitt haben 57 Prozent der erwachsenen Männer und 58 Prozent der Frauen einen 25 D-Spiegel unter 20 ng/ml. Gut jeder Zweite hat damit einen eindeutigen Vitaminmangel. ... Die Situation bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist noch schlimmer: Bei 62 Prozent der Jungen und 64 Prozent der Mädchen liegen im Jahresdurchschnitt die 25  D-Spiegel unter 20 ng/ml. ... Das ist folgenschwer, muss man doch in diesem Alter eine bestmögliche Knochengesundheit, also eine hohe Knochenmineraldichte erreichen, um später im Leben vor Osteoporose besser geschützt zu sein. Das dürfte mit diesen Werten schwerlich möglich werden - ein Knochen-Desaster kommt auf uns zu.
 
Am verheerendsten ist die Situation bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, insbesondere bei jenen mit türkischem, arabischem, asiatischem oder afrikanischem: Im Jahresdurchschnitt weisen diese jungen Mitbürger in Deutschland zu gut 75 Prozent unzureichende Vitamin-D-Werte im Blut auf...“

Worm schreibt weiter: „Leider erweist sich die staatlich subventionierte Fachgesellschaft DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) bei der Abwendung des Dramas nicht gerade hilfreich. Sie empfiehlt eine tägliche Zufuhr von nur 200 IE Vitamin D für Kinder und Erwachsene. Ab dem Alter von 65 Jahren soll wegen des Osteoporoserisikos die Zufuhr auf 400 IE pro Tag erhöht werden. Soweit die Theorie der DGE.... In der Praxis sieht es noch schlimmer aus. Die repräsentative Nationale Verzehrsstudie mit 20 000 Teilnehmern weist für das Jahr 2008 für Männer im Mittel eine Zufuhr von 116 IE pro Tag aus, und für Frauen von 88 IE. Im Durchschnitt wird also nicht einmal die Hälfte der empfohlenen Vitamin-D-Menge mit der Nahrung aufgenommen... Und man muss diese düsteren Zahlen sogar noch kritischer sehen: Denn mit Bestimmtheit lässt sich sagen, dass die Zufuhrempfehlungen der DGE nicht den aktuellen Erkenntnisstand abbilden und für einen gesunden Vitamin-D-Haushalt vorne und hinten nicht reichen.“

Zusammenfassendes Resultat

Die Vitamin-D-Versorgung des Körpers ist umso schlechter, je weiter entfernt man nördlich oder südlich vom Äquator lebt, je dunkler die Haut ist, je bedeckter man gekleidet ist, je seltener man in die Sonne geht, je weniger man mit der Nahrung aufnimmt und je älter und dicker man ist.

Schutz vor Rachitis

Nachdem Rachitis mit O-Beinen und anderen Knochenverformungen in den Städten der industriellen Revolution weit verbreitet war, bekamen Neugeborene zur Vorbeugung täglich einen Löffel Lebertran. Heute bekommen Babys das Vitamin D als Öltropfen oder Tabletten. Man gibt Kindern ab der zweiten Lebenswoche täglich 400 oder in manchen Ländern 500 IE Vitamin D. Wiederholte Untersuchungen beweisen, dass damit bei allen Kindern ein 25 D-Spiegel von 11 bis 20 ng/ml erreicht wird, was zumindest Rachitis vermeidet. Mehr aber auch nicht. Auch gestillte Kinder bekommen diese Dosis, weil durch die moderne Lebensweise auch die Muttermilch nicht mehr genügend Vitamin D enthält.

Säuglinge und Kleinkinder benötigen mindestens 400 IE täglich, nach neuen Erkenntnissen  wären bis zu 1 000 IE je Tag nötig, um optimale Blutkonzentrationen zu erreichen. Eigentlich sollte eine sinnvolle Prävention des Vitamin-D-Mangels bereits vor der Schwangerschaft beginnen, denn die Versorgung im Mutterleib hat entscheidenden Einfluss auf die spätere Gesundheit.

Robuste Knochen durch Vitamin D

Rachitis war während der ersten Industrialisierungswelle die „Standardkrankheit“ bei Kindern. Ursache waren Arbeitsplätze ohne Tageslicht und hohe Luftverschmutzung durch rauchende Fabrikschlote. Bei dieser Entwicklungsstörung bleiben die Knochen weich wie Knorpel. Der Vitamin-D-Mangel bringt den Calciumhaushalt ins Ungleichgewicht, dadurch werden Probleme im Knochenstoffwechsel ausgelöst. Sobald kleine Kinder das Sitzen, Krabbeln und Gehen erlernen und die Schwerkraft auf die weichen Knochen wirkt, bilden sich Verformungen wie X- oder O-Beine aus. Uncharakteristische Symptome, die bereits vorher ins Auge fallen, sind Unruhe, Schreckhaftigkeit, vermehrtes Schwitzen mit juckenden Hautausschlägen..., später kommt es zu Muskelschmerzen und „Froschbauch“, Verstopfungsneigung und ersten Knochenerweichungen am Kopf, zusätzlich sind Krämpfe möglich.

Heute sind dunkelhäutige Kinder in unseren Breiten am häufigsten davon betroffen. In amerikanischen Untersuchungen fand man heraus, dass 80 Prozent der Neugeborenen am Ende des Winters sehr niedrige Vitamin-D-Spiegel hatten. In Europa beobachtet man Rachitis vermehrt bei Säuglingen und Kleinkindern, die makrobiotisch ernährt werden.

Wirkung von Vitamin D auf den Blutcalciumspiegel
Wirkung von Vitamin D auf den Blutcalciumspiegel

Bei Erwachsenen führt Vitamin-D-Mangel zu Osteomalazie

Die Anzeichen sind zunächst unspezifisch wie anhaltende Müdigkeit, Schwäche und Muskelschmerzen. Verdächtiger sind schon anhaltende, tiefsitzende Knochenschmerzen in Armen und Beinen, Brust, Becken oder Wirbelsäule. Auch der Schlaf ist gestört. Gehäuft treten Knochenbrüche auf.

Im höheren Alter schließlich kommt es zur krankhaften Entkalkung der Knochen, der Osteoporose, die inzwischen zur Volkskrankheit avanciert ist. Steigendes Alter, mangelnde Bewegung, Licht- und Nährstoffmängel sind die wesentlichen Risikofaktoren.

Knochen sind sehr aktive Gewebe, die ständig auf- und abgebaut werden, womit jedes Jahr 20 bis 40 Prozent des Skeletts erneuert werden. Im Wachstumsalter nimmt die Knochenmasse zu und erreicht mit etwa 20 Jahren ihren Höchststand (Peak Bone Mass). Für lebenslange Knochengesundheit sollte sie möglichst hoch sein. Im Alter zwischen 20 und 30 Jahren entspricht bei optimalen Voraussetzungen der Aufbau etwa dem Abbau. Danach überwiegt der Abbau, wobei der „normale“ Knochenschwund circa 0,3 bis 0,5 Prozent der Knochenmasse pro Jahr beträgt. Mit 50 Jahren hat man bereits 10 Prozent weniger Knochenmasse, so dass das Skelett langsam brüchiger und damit auch bruchanfälliger wird. Frauen verlieren nach den Wechseljahren jährlich 1 bis 2 Prozent ihrer Knochenmasse.

Durch ausreichende Versorgung mit Calcium und Vitamin D und dazu genügend Bewegung kann man bereits in der Jugend viel für die Knochengesundheit im Alter tun.

Ein Mangel an Vitamin D führt auch zu Calciummangel, weil erst Vitamin D die Aufnahme von Calcium im Dünndarm durch die Schleimhaut in den Blutkreislauf ermöglicht, von wo es in die Knochen wandern kann. Bei unzureichender Vitamin-D-Versorgung wird viel zu wenig Calcium aufgenommen. Bei sehr gutem Vitamin-D-Status erhöht sich die Calciumaufnahme im Darm vielfach, so dass weniger Calcium in der Nahrung gebraucht wird. Mangelnde Vitamin-D-Versorgung ist ein ernsthafter Risikofaktor für Knochenerkrankungen und Knochenbrüche. Die Prävention sollte bereits im frühen Kindesalter beginnen. Kinder gehören täglich ins Freie. Zur wissenschaftlich bestätigten Vorbeugung und Therapie von Osteomalazie und Osteoporose ist ausreichende Bewegung im Sonnenlicht und ausreichende Nährstoffversorgung angesagt

Dazu Nicolai Worm im Wortlaut: „Dass Vitamin D hier auch ganz spezifisch vorbeugend wirkt, wurde in kontrollierten Medikamentenstudien vielfach getestet und bestätigt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Studien (Metaanalyse) aus dem Jahr 2005 ergab folgendes Bild:

Eine Vitamin-D-Dosierung von 700 bis 800 IE pro Tag senkt bei älteren Menschen das Risiko einer Hüftfraktur um 26 Prozent oder um 23 Prozent für alle Knochenbrüche an unseren Extremitäten. Hingegen ist eine Dosis von 400 IE nicht ausreichend für einen solchen Schutzeffekt. Der präventive Effekt tritt erst ab einem 25 D-Spiegel von 30 ng/ml ein. Und ein solcher Blutspiegel kann tatsächlich erst mit einer Dauerdosis von 700 bis 800 IE Vitamin D erreicht werden - das wurde in placebokontrollierten Behandlungsstudien festgestellt. Mit einer Dosierung von 400 IE pro Tag erzielte man nur einen Anstieg auf etwa 24 ng/ml. Dieser Blutspiegel reicht nicht aus, um die Knochenbruchrate zu mindern. ...“

Epidemiologische Studien wiesen nach, dass die Knochendichte an der Hüfte bei jüngeren und älteren Menschen sowie die Beinfunktion bei älteren Personen  mit höheren 25 D-Spiegeln stetig zunehmen. Die international ausgewiesenen Vitamin-D-Fachleute sind sich darüber einig, dass ein Mindestwert von 30 ng/ml  25 D im Blut zur Prävention von Knochenbrüchen  erreicht werden sollte, dafür ist eine dauerhafte Dosierung von mehr als 800 IE täglich notwendig. Noch ist umstritten, ob gleichzeitig 1000 bis 1200 mg Calcium täglich gegeben werden sollten, weil es neuerdings ernsthafte Hinweise gibt, dass eine sehr hohe Supplementation mit Calciumpräparaten möglicherweise Herz und Kreislauf belastet.