Gesundheitsrisiken durch Glyphosat (1)

In Argentinien protestieren Mütter gegen den großflächigen Anbau von Gentechnik-Soja und damit einhergehenden Glyphosat-Einsatz. Sofia Gatica kämpft seit Jahren gegen Gentechnik und Glyphosat in Argentinien - ihr Ort ist von Sojafeldern umgeben. Gaticas Tochter starb als Säugling an Nierenversagen, auch andere Mütter aus Ituzaingó haben Kinder verloren. Sie glauben, dass die dauernde Herbizidbelastung daran schuld ist. Viele Kinder in ihrer Nachbarschaft kommen missgestaltet zur Welt. Gatica und ihre Mitstreiterinnen machen Glyphosat dafür verantwortlich.

Studien beweisen Toxität glyphosathaltiger Herbizide

Wissenschaftliche Studien der letzten Jahre erbrachten mehr und mehr Belege für toxische Effekte von glyphosathaltigen Herbiziden:

  • Sie können die Bakterien-Gemeinschaft im Darm verändern, da manche Bakterien tolerant sind (z. B. Krankheitserreger wie Clostridium- oder Salmonella-Arten), andere hingegen empfindlich (z. B. Gegenspieler dieser Krankheitserreger wie etwa Milchsäurebakterien).
  • Sie verändern die Aktivität vieler Enzyme und schädigen das Erbmaterial menschlicher Zellen, was zu deren Tod führen kann.
  • Sie hemmen ein für die Hormonbildung wichtiges Enzym – mit möglicherweise negativen Effekten auf die menschliche Fortpflanzung. Auch geringe Konzentrationen, wie sie in der Landwirtschaft auftreten, sind offenbar wirksam.
  • Sie stehen im Verdacht, bestimmte Krebserkrankungen wie das Non-Hodgkin-Lymphom (Krebserkrankung des Lymphsystems, Teil des Immunsystems) zu fördern; bei Mäusen wurde die Entstehung von Hauttumoren begünstigt. 
  • 2015 stufte die Internationale Krebsforschungsagentur IARC, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), glyphosat-haltige Mittel als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Das ist die zweithöchste Gefahrenstufe. Deutsche und europäische Behörden hielten hingegen an ihrer Einschätzung fest, Glyphosat sei wahrscheinlich nicht krebserregend – allerdings bewerten sie nur den reinen Wirkstoff, nicht das handelsübliche Produkt.
  • Besonders toxisch sind Hilfsmittel wie Tallowamin, manche Wissenschaftler gehen von einer mehr als tausendfachen Toxizität aus.
  • Laut jüngster Langzeit-Untersuchungen über zwei Jahre entwickelten Ratten, die mit RR-Mais gefüttert wurden oder deren Trinkwasser Roundup enthielt, früher und häufiger Krebs als Kontrolltiere und zeigten Veränderungen innerer Organe.
  • Glyphosat kann die menschliche Plazenta überwinden. Es greift in die frühe Embryonalentwicklung von Wirbeltieren ein: selbst bei sehr geringen Konzentrationen wurden Missbildungen im Kopfbereich und Nervensystem von Kaulquappen und Küken beobachtet.

Daten aus den USA

Von manchen Wissenschaftlern werden epidemiologische Daten aus den USA über den Anstieg von Erkrankungen wie Diabetes, Fettsucht oder Autismus seit den neunziger Jahren mit dem Anstieg im Verbrauch von Glyphosat in Verbindung gebracht.

Schon länger gibt es Berichte aus Lateinamerika über stark erhöhte Krebsraten oder mehr DNA-Schäden bei Menschen, die dem Mittel ausgesetzt sind. Dort werden auf ca. 40 Millionen Hektar RR-Sojabohnen angebaut und dabei jährlich Hunderttausende Tonnen glyphosathaltiger Herbizide ausgebracht – häufig aus der Luft. Vielfach wurden Fehlgeburten beobachtet – Missbildungen bei Neugeborenen sollen um 400 Prozent, die Krebsrate bei Kindern um 300 Prozent zugenommen haben.

Obwohl der Verdacht, Glyphosat störe die Embryonalentwicklung, schon früher geäußert wurde, flossen die entsprechenden wissenschaftlichen Daten aber nicht in die Zulassung von Glyphosat ein.

Glyphosat und glyphosathaltige Produkte sind keineswegs harmlose Mittel zur Bekämpfung von Unkräutern.

Im Gegenteil, Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftler belegen, dass Glyphosat vielfach negative Wirkungen auf Mensch und Tier ausübt und die Umwelt und Artenvielfalt gefährdet. Ein Verbot derartiger Spritzmittel, zumindest eine massive Einschränkung ihrer Anwendungsgebiete, ist unerlässlich.

Studie zeigte Einfluss von Glyphosat auf Kaulquappen-Entwicklung

Gelangen Unkrautvernichtungsmittel, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, in Gewässer, hat das einer Studie von Wiener Wissenschaftern zufolge Auswirkungen auf die dortige Algenzusammensetzung. Darüber hinaus führen sie bei niedrigen Wassertemperaturen zu Fehlbildungen beim Erdkröten-Nachwuchs, wie die Forscher in den Fachjournalen "PeerJ" und "Frontiers in Environmental Science" berichten.

Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat (der unter anderem im Pflanzenschutzmittel "Roundup" enthalten ist) werden weltweit am häufigsten verwendet. Über die Auswirkungen des großflächigen Ausbringens gibt es mittlerweile kontrovers geführte Diskussionen. So hat etwa die EU die Zulassung im Sommer nach einer Einstufung des Wirkstoffes als "wahrscheinlich krebserregend" durch die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO lediglich bis maximal Ende 2017 verlängert. Gegen die ursprünglich geplante Verlängerung um 15 Jahre hatte es Proteste aus einigen Mitgliedstaaten und dem Europaparlament gegeben.

Auch Nicht-Zielorganismen betroffen

Auch in Österreich sind glyphosathaltige Produkte die am meisten eingesetzten Pestizide. Durch Regenfälle können sie in Gewässer geschwemmt werden. Obwohl der Wirkstoff speziell auf Pflanzen abzielt, wurden in der Vergangenheit auch Nebenwirkungen auf sogenannte Nicht-Zielorganismen beschrieben. So hat beispielsweise die Forschungsgruppe um Johann Zaller vom Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien im vergangenen Jahr im Fachjournal "Nature Scientific Reports" über reduzierten Nachwuchs bei Regenwürmern berichtet.

In ihren aktuellen Untersuchungen widmete sich Zallers Gruppe den Auswirkungen auf die Erdkröte, die in der Agrarlandschaft lebt und dort mit Pestiziden in Kontakt kommt. Dazu haben die Wissenschafter Eier aus natürlichen Laichgewässern der Tiere entnommen. Diese verteilte das Team um Studien-Erstautor Fabian Baier dann gleichmäßig in Wassergefäße mit realistisch geringen Herbizidkonzentrationen und stellten sie in Klimakammern bei 15 und 20 Grad Celsius auf.

Wenig Information über Wirkung in Verbindung mit Temperatur

"Wir wollten etwas über den Effekt des Klimawandels herausfinden, denn der bedeutet nicht nur gleichmäßige Erwärmung, sondern es kommen auch mehr Temperaturextreme auf uns zu. Das wollten wir mit dem Temperaturunterschied nachstellen. Interessanterweise weiß man über die Wirkung von Pestiziden bei unterschiedlichen Temperaturen nur sehr wenig", sagte Zaller zur APA. Im Zuge der Studien zeigte sich, dass die Vielfalt der Algen unter allen Bedingungen in Anwesenheit der Pestizide verändert wurde.

Die Entwicklung der Kaulquappen wurde dagegen nur bei 15 Grad gestört. Unter diesen Umständen zeigten die Tiere vermehrt Schwanz-Fehlbildungen. Was es ihnen vermutlich erschwere, Fressfeinden zu entkommen, so der Ökologe. Wie genau das zustande kommt, sei noch unklar: "Unsere Annahme ist aber, dass die Kaulquappen unter kühleren Bedingungen langsamer wachsen und deshalb länger dem Gift ausgesetzt sind. Bei höheren Temperaturen könnten sie dem Gift einfach 'davonwachsen'", sagte Zaller.

Erkenntnisse lassen Zulassungs-Tests fraglich erscheinen

Üblicherweise würden die für die Zulassung nötigen Untersuchungen zu Nebenwirkungen von Pestiziden von den Herstellerfirmen bei einer Normtemperatur von 20 Grad durchgeführt. Die für die Wissenschafter überraschenden Hinweise darauf, dass die Temperatur die Wirkung der Herbizide auf den Erdkröten-Nachwuchs beeinflusst, lasse die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise in neuem Licht erscheinen, so Zaller. Ebenso stelle sich die Frage, ob gängige Experimente in der Petrischale überhaupt Aufschluss über bestimmte Auswirkungen geben können. Außerdem würden solche Tests lediglich mit dem reinen Wirkstoff und nicht mit dem im Handel erhältlichen Gesamtpräparat durchgeführt, was auch zu Fehleinschätzungen führen dürfte.