Gentechnik hilft nicht gegen Hunger und Mangelernährung

Ein Drittel aller Lebensmittel geht verloren oder wird verschwendet. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis und Getreide sind über die Jahre stark gestiegen. Die für den Anbau von Nahrungspflanzen zur Verfügung stehenden Flächen konkurrieren zunehmend mit Flächen für den Anbau von Energie- und Futterpflanzen. Dazu kommt ein dramatischer Verlust an Bodenfläche und Bodenfruchtbarkeit durch eine intensive Landnutzung. Gentechnik hat bislang keines dieser Probleme lösen können – im Gegenteil: sie ist eher die Speerspitze der industriellen Landwirtschaft.

Zitate

Angela Merkel, Bundeskanzlerin: „Es wird angesichts der jährlich um 80 Millionen Menschen zunehmenden Weltbevölkerung in vielen Ländern akzeptiert, dass zur Lösung der Ernährungsprobleme auch gentechnisch veränderte Saatgüter oder Lebensmittel ihren Platz haben können."

Deutsche Welthungerhilfe: „Eine nachhaltige Einkommenssteigerung zugunsten der Kleinbauern in Entwicklungsländern durch die Grüne Gentechnik konnte bis heute nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig ein Beitrag zur Hungerbekämpfung.“

Jean Ziegler, UN-Sonder-Berichterstatter: „Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO sagt, dass zwölf Milliarden Menschen ernährt werden könnten. Warum geschieht das nicht?"

Gerd Sonnleitner, Präsident Deutscher Bauernverband: „Für die deutschen Bauern ist Gentechnik keine Option. Eventuelle Schadensersatzforderungen würden an den Landwirten hängenbleiben. Das finanzielle Risiko ist für unsere Bauern unkalkulierbar.“

Wie ist der Sachstand wirklich?

Gentechnisch veränderte Pflanzen sind dafür gemacht, im großflächigen Maßstab angebaut zu werden, ihre Früchte gehen überwiegend ins Tierfutter. Fleisch können sich viele Menschen in Entwicklungsländern aber gar nicht leisten. Die Monokulturen laugen Böden aus und werden zudem mit giftigen Herbiziden besprüht, weil die Gentech-Pflanzen dagegen resistent gemacht wurden, oder die transgenen Pflanzen produzieren eigene Insektengifte. So landet – im Gegensatz zu den Versprechen der Industrie – mehr Gift auf dem Acker.

Aus zahlreichen Publikationen internationaler Organisationen und Wissenschaftler wird klar: nur eine kleinbäuerliche Landwirtschaft, die die ökologischen Grundlagen erhält anstatt sie zu zerstören, kann eine wachsende Weltbevölkerung ernähren. Der Einsatz der Gentechnik wird nach Einschätzung vieler WissenschaftlerInnen dabei kaum hilfreich sein. 2010 schrieb beispielsweise die Deutsche Welthungerhilfe: „Eine nachhaltige Einkommenssteigerung zugunsten der Kleinbauern in Entwicklungsländern durch die Grüne Gentechnik konnte bis heute nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig ein Beitrag zur Hungerbekämpfung.“

Beispiel Golden Rice

Viele Menschen in Indien und anderen Reisanbaugebieten drohen aufgrund von Vitamin-A-Mangel krank zu werden. Gentechnik-Forscher haben gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Syngenta eine Reissorte gentechnisch so verändert, dass sie die Vorstufe von Vitamin-A (Carotin) selbst produzieren kann. Da dieser Reis eine gelbe Farbe hat, nennt man ihn „Golden Rice“.

Doch trotz hoher Forschungskosten fehlen entscheidende Daten, z.B. über die Höhe der Menge, die verzehrt werden müsste, um den Bedarf an Vitamin A zu decken. Auch offen ist, wie die oft monatelange Lagerung auf das Carotin im Gentechnik-Reis wirkt. Ob es darüber hinaus Gesundheits- oder Umweltrisiken durch die gentechnische Veränderung gibt, ist nicht klar. Obwohl schon jahrelang am „Golden Rice“ geforscht wird, wurde die Markteinführung immer wieder verschoben.

Erfolgversprechender wäre indes der Anbau von Gemüsesorten, die von Natur aus einen hohen Gehalt an Carotinoiden haben, z.B. Karotten, Süßkartoffeln, Orangen, Kürbissen, Cassava, etc. Oder die Verteilung von leicht lagerbaren Vitamin-A-Präparaten, wozu auch die Weltgesundheitsorganisation WHO rät. Die Kosten wären wohl deutlich geringer als bei der Entwicklung von Gentechnik-Pflanzen, die hunderte Millionen Dollar verschlingen kann.

Nobelpreisträger fordern Greenpeace zum Umdenken auf

Über 100 Laureaten wenden sich in einem offenen Brief an die Umweltschutzorganisation. Der Widerstand gegen die Grüne Gentechnik sei nicht gerechtfertigt.

Bis zum Jahr 2050 muss sich die landwirtschaftliche Produktion wegen der wachsenden Weltbevölkerung verdoppeln. Dies sei ohne Grüne Gentechnik (GMO) nicht zu schaffen, meinen 108 Nobelpreisträgerinnen und -träger in einem offenen Brief an die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Die Laureaten fordern, die Organisation solle ihren Widerstand gegen die Technologie aufgeben, und wünschen sich, dass die Regierungen der Welt endlich den Anbau des so genannten Goldenen Reises frei geben. Diese Sorte wurde gentechnisch so verändert, dass sie mehr Betacarotin und damit Provitamin A produziert. Unter Provitamin-A-Mangel leiden rund 250 Millionen Menschen; das schwächt ihr Immunsystem und beeinträchtigt vor allem Kinder in ihrem Wachstum und ihrer Gesundheit: Bis zu eine halbe Million Menschen erblinden jährlich als Folge der Unterversorgung. Der Goldene Reis soll diesen Missstand unkompliziert und auf breiter Front beheben, sein kommerzieller Anbau ist bislang jedoch nicht zugelassen. Immer wieder zerstören zudem so genannte Aktivisten Versuchsfelder mit der Nutzpflanze, was die Forschungsarbeit beeinträchtigt.

Dass Greenpeace seit Jahren gegen die Technologie argumentiert und ihren Einsatz zumindest verbal bekämpft, ärgert die Unterzeichner, zu denen unter anderem die deutschen Laureaten Christiane Nüsslein-Volhard, Harald zur Hausen und Wolfgang Ketterle zählen. "Wissenschaftler und Zulassungsbehörden haben wiederholt festgestellt, dass GMO-Produkte ebenso sicher sind wie herkömmlich gezüchtete Organismen, wenn nicht sogar sicherer. Weltweit gibt es keinen einzigen bestätigten Beleg, dass Menschen oder Tiere einen Gesundheitsschaden davongetragen haben, nachdem sie GMO-Produkte konsumiert hatten", schreiben die Unterstützer. Wiederholt habe sich zudem gezeigt, dass die derart erzeugten Pflanzen und Tiere der Umwelt weniger schaden als die traditionelle Landwirtschaft und sogar dem Erhalt der Artenvielfalt nutzen könnten. Greenpeace und andere Organisationen hätten dagegen diese Fakten geleugnet, Risiken fehlinterpretiert und die positiven Eigenschaften heruntergespielt. Zudem habe es mindestens ideelle Unterstützung gegeben, wenn Feldversuche zerstört wurden.

In einer Stellungnahme gegenüber dem Berliner "Tagesspiegel" verwahrt sich die Organisation gegen die Kritik. "Unsere Position bleibt unverändert", so Dirk Zimmermann, Kampaigner im Bereich Nachhaltige Landwirtschaft. Es sei unklar, ob zum Beispiel Goldener Reis den Vitamin-A-Mangel überhaupt beheben könne. Mit Zerstörungen vor Ort habe die Organisation nichts zu tun, sie seien das Werk lokaler Gruppen. Damit alle Menschen Zugang zu gesunden und vielfältigen Nahrungsmitteln zu geben, müssten andere Wege beschritten werden, meint Greenpeace.

Gentechnik-Pflanzen ohne Nutzen für Entwicklungsländer

Ob Gentechnik-Pflanzen wirklich dabei helfen können, die Probleme der armen Länder zu lösen, scheint weiterhin mehr als fraglich. Schon der von Weltbank und FAO in Auftrag gegebene "Weltagrarbericht" hat 2008 klargestellt, dass die beste Lösung für das Hungerproblem eine regional angepasste, nachhaltige Landwirtschaft ist. Der Arbeitsbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag kommt zu ähnlichen Ergebnissen: "Der Bericht belegt eindringlich, dass selbst nach zwölf Jahren großflächigen Einsatzes von transgenem Saatgut der ökonomische, ökologische und soziale Nutzen nicht zu belegen ist. Daher sollten Forschung und Entwicklung für nachhaltigere und ökologische Alternativen zur Agrogentechnik gestärkt werden", so NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Das amerikanische Rodale Institute kommt nach 30 Jahren Vergleich von ökologischem, konventionellem und Gentechnik-Anbau zu dem Fazit, dass ökologische Methoden effizienter sind und bessere Chancen zur Anpassung an den Klimawandel bieten. Und 2010 schrieb beispielsweise die Deutsche Welthungerhilfe: „Eine nachhaltige Einkommenssteigerung zugunsten der Kleinbauern in Entwicklungsländern durch die Grüne Gentechnik konnte bis heute nicht nachgewiesen werden, ebenso wenig ein Beitrag zur Hungerbekämpfung.“

Unrealistische Heilsversprechen über Gentech-Wunderpflanzen

Die Ankündigungen der Gentechnik-Konzerne Monsanto, BASF, Syngenta, Bayer, Dow und DuPont-Pioneer, schon bald könne mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen der Welthunger bekämpft, die Energieversorgung gesichert oder dem Klimawandel begegnet werden, halten nach Analysen des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) einer Überprüfung nicht Stand. Eine von der Publizistin Ute Sprenger für den BUND erstellte Studie mit dem Titel »Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie - ein Realitäts-Check« erbrachte das Ergebnis, dass Gentech-Pflanzen mit den genannten Eigenschaften in absehbarer Zeit nicht zur Marktreife kommen werden.

Alle genannten Gentechnik-Konzerne erwirtschafteten den Löwenanteil ihres Umsatzes mit chemischen Spritzmitteln. Ihr vorrangiges Interesse sei, herbizidresistente Pflanzen und dazugehörige Spritzmittel in Kombination zu verkaufen.

Eine weitere Recherche von Foodwatch zeigt anhand des Beispiels "Golden Rice" auf, dass die Gentechnik-Industrie ihre Heilsversprechen bislang nicht einlösen konnte. Das vermeintliche Vorzeigeprojekt "Golden Rice" stellt sich insgesamt als eine Kampagne dar, mit der gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln zum Durchbruch verholfen werden soll.

Höhere Erträge durch Gentechnik?

Von der Industrie unabhängige Wissenschaftler bezweifeln die These von der Wirtschaftlichkeit transgener Pflanzen. Auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) kam 2008 zu dem Schluss, dass ein Nutzen nicht erwiesen sei. Zuverlässige Daten fehlten, obwohl die Saaten schon seit Jahren kommerziell genutzt werden.

Bei einer Untersuchung zu Soja war laut der britischen Zeitung Independent herausgekommen, dass die Ernte sogar geringer ausfallen kann, wenn gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Dem Wissenschaftler war es eigentlich um die Frage gegangen, inwieweit sich mit Düngung die Erträge steigern ließen. Dass die Gentechnik-Soja im Vergleich mit konventioneller Soja schlechter abschnitt, war eher ein unbeabsichtigtes Nebenergebnis.

Nachhaltige Landwirtschaft als Mittel gegen Hunger

Gentechnik hilft nicht gegen den Hunger in der Welt. Im Gegenteil: sie könnte ihn sogar verschlimmern, da sie Monokulturen begünstigt, die einen hohen Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern erfordern.

Die einzige Form von Hunger, den die Konzerne stillen, ist nicht „der Hunger in der Dritten Welt, sondern der Hunger der Aktionäre“, schlussfolgerte die damalige EU-Kommissarin Margot Walström. Auch der von Weltbank und FAO in Auftrag gegebene "Weltagrarbericht" sieht die Zukunft der Landwirtschaft in einer Rückbesinnung auf natürliche, regionale und nachhaltige Produktionsweisen.