Hochspannend, was der Darm für uns zu bieten hat! (2)

Der Darm des Menschen wird von Bakterien, Archaeen und Eukaryoten besiedelt. Er stellt ein komplexes und dynamisches bakterielles Gleichgewicht dar, das sich innerhalb der ersten Lebensjahre etabliert. Die Besiedlungsdichte des Darms ist anfangs gering und steigt mit zunehmendem Lebensalter stetig an. Während des Geburtsprozesses und kurz danach erfolgt die erste bakterielle Besiedlung des vorher sterilen humanen Gastrointestinaltraktes. Bei natürlich geborenen Kindern beginnt die Kolonisation während der Geburt. Jeder Mensch besitzt zehnmal mehr Bakterien als Körperzellen. Die Mikroorganismen haben es sich auf der Haut, in den Atemwegen und im vor allem im Darm gemütlich gemacht. Der Verdauungstrakt wird von ca. 500 bis 1000 verschiedenen Arten besiedelt. Insgesamt bringt es die Darmflora auf ein Gesamtgewicht von bis zu zwei Kilogramm.

Mein heutiger Beitrag ist die Fortsetzung (Teil 2) meines letzten Gesundheitsbriefs.

Wer bin ich? Und wie viele?!

Man kann da sogar noch weiter gehen: Die Anzahl der Bakterienzellen in unserem Darm übersteigt deutlich die Anzahl unserer Körperzellen. Im Darm eines Menschen wohnen etwa 10 bis 100 Billionen Bakterien und jedes davon ist eine Zelle. Ein menschlicher Körper hat dagegen nur etwa 10% davon.

Und es geht noch weiter: Wenn man die Anzahl aller menschlichen Gene mit der Anzahl aller Bakteriengene des Mikrobioms vergleicht, kann kommt man zu einem erstaunlichen Resultat: Die Bakteriengene überwiegen bei Weitem (Verhältnis ca. 1 : 350). Wer sind wir also? Eigenständige Menschen mit Bakterienrasen auf und in sich oder lediglich die lebendigen Herbergen für eine große Bakterien-Wohngemeinschaft? Wer macht unseren Charakter, unsere Gefühle und unsere Eigenheiten aus – wir oder die Mikroben in uns?

Könnten wir ohne Bakterien überhaupt überleben? Die Antwort lautet: Vermutlich nicht.

Und es kommt noch dicker: Wir „vererben“ unsere Bakterien! Bereits bei der Geburt bekommt ein – vorher völlig keimfreier – Säugling Kontakt zum Mikrobiom seiner Mutter: Ein paar der mütterlichen Bakterien von Haut und Vagina wandern auf alle Schleimhäute des Babys aus und vermehren sich dort. Später tragen jeder Kuss und jeder Hautkontakt mit Eltern, Geschwistern, Tanten, Onkels, Spielkameraden oder anderen Menschen weitere Bakterien ein.

Auf diese Weise kommt es dazu, dass die Mikrobiome von Familienmitgliedern oft sehr ähnlich sind, sich aber von anderen Familien klar unterscheiden. Die Unterschiede im Mikrobiom zwischen Menschen nehmen zu, je unterschiedlicher ihre kulturelle Herkunft ist.

Die heutige Medizin wartet inzwischen bei schweren Darminfektionen, die sich nicht mehr mit Antibiotika eindämmen lassen, mit Bakterien-Transplantationen von Spendern aus der Familie auf. Damit kann ein Schwerkranker innerhalb von kurzer Zeit wieder völlig genesen.

Verändert sich dieser Mensch dadurch? Wir wissen es bisher nicht.

Die guten und die bösen Darmbakterien

Manchen mag das verwirren. Sind doch Bakterien im Allgemeinen als Krankheitserreger bekannt und müssen schleunigst bekämpft werden (Stichwort: Antibiotika!). Doch dem muss unbedingt widersprochen werden: Die allermeisten Bakterien des intestinalen Mikrobioms sind gesund und sogar nützlich für den Menschen, nur wenige erzeugen Krankheiten. Und die können sich bei einer dichten Besiedelung mit gesunden Darmbewohnern gar nicht richtig durchsetzen. Erst wenn das Überwiegen der „Guten“ nicht mehr sichergestellt ist (z.B. durch den Einsatz von Antibiotka), kann es Probleme geben: Darminfektionen sind die erste Folge.

Viel mehr Krankheiten sind mit dem intestinalen Mikrobiom verbunden:

Forscher fanden im Darm von Autisten deutliche Hinweise auf eine besondere Bakterien-Besiedelung durch schädliche Clostridien. Auch bei entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Leaky gut, Reizdarm) konnten spezielle Verschiebungen der Darmbakterien gefunden werden. Und damit nicht genug: Bei Patienten mit Alzheimer, Arthritis, Übergewicht, Adipositas, Diabetes Typ II, Metabolischen Syndrom und letzlich bei Darmkrebs-Patienten konnten Wissenschaftler signifikante Korrelationen zu Veränderungen im intestinalen Mikrobiom finden.

Wer also mehr über seine klitzekleinen (Darm-)Mitbewohner weiß und sie hegt und pflegt, der kann viel für seine Gesundheit tun – wenn die Krankheit schon da ist, aber auch präventiv bevor sie sich ausbreitet.

Das Gute ist: Die Bakterien lassen sich fördern und bremsen

Diese neuen Erkenntnisse sind gerade derzeit immens wichtig: Antibiotika-Resistenzen machen sich breit unter den Bakterien. Der häufige Einsatz dieser Medikamente macht sie langsam aber sicher zu immer „unschärferen Waffen der Medizin“.

Bakterien können Resistenzen entwickeln und diese an ihre Kollegen weitergeben.

Irgendwann werden Antibiotika daher nicht mehr ausreichend wirken. Da kommt der neue Ansatz von „fördern und bremsen“ genau zur richtigen Zeit: Das, was wir essen, füttert auch unsere Bakterien im Darm. Essen wir das, was die „Guten“ mögen und die „Bösen“ nicht, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Aus der Praxis gibt es schon jede Menge Erfahrung mit dieser Form der Darmpflege. Die Forschung liefert nun zusätzliche Informationen und verfeinert damit die Therapiemöglichkeiten.

Grundsätzlich: Zucker tut nie gut

Zucker ist schlecht für die Zähne! Das ist richtig, greift jedoch viel zu kurz. Denn auf dem Weg, den der Zucker nach dem Mund durch den gesamten Verdauungstrakt macht, hinterlässt er ebenso seine hässlichen Spuren. Ich hatte Ihnen dazu in einem der früheren Gesundheitsbriefe bereits grundlegende Informationen zugeschickt:

Es ist möglich alt, gesund und glücklich zu sein!

Fehler in der Ernährung, die uns älter machen (1)

Fehler in der Ernährung, die uns älter machen (2)

Die Darmbakterien stellen sich ein auf die süße Fütterung. Die falschen Keime werden gefördert und überschwemmen den Darm. Die Folge sind stinkende Stühle, Bauchweh, Durchfall und wie wir nun wissen – langfristig möglicherweise noch weit schlimmere Erkrankungen.

Damit das nicht passiert ist die erste Regel für einen gesunden Darm: Zucker meiden und alles, was Zucker im Darm erzeugen kann (Kohlenhydrate) weitestmöglich reduzieren.